Mit seinen jüngsten geldpolitischen Maßnahmen hat Mario Draghi den Geldhahn nochmals stärker aufgedreht

EZB und die Liquiditätsschwemme Viel Geld - keine Investitionen

Mit seinen jüngsten geldpolitischen Maßnahmen hat Mario Draghi den Geldhahn nochmals stärker aufgedreht, so dass das Bild von der Liquiditätsschwemme spätestens jetzt berechtigt ist. Mit noch mehr Geld soll endlich gelingen, was bisher nicht funktionierte - dass die Wirtschaft im Euro-Raum endlich wieder Fahrt aufnimmt.

Ob dieser Effekt eintritt, ist allerdings unsicher. Unter Ökonomen ist die Wirksamkeit von zusätzlichem Geld höchst umstritten. Anhänger einer lockeren Geldpolitik argumentieren so: Wenn die Zentralbank die Geldmenge erhöht und die Zinsen senkt, stehen Unternehmen und Verbrauchern - zum Beispiel über billige Kredite - mehr Mittel zur Verfügung, um zu konsumieren und zu investieren. Dadurch entstehen positive Wirtschaftsimpulse, die das Wachstum anregen. Eine konjunkturelle Schwächephase kann so überwunden werden.

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Warum die Liquiditätsschwemme nicht wirkt

Doch ganz so einfach wirkt die Liquiditätsschwemme offenbar nicht, sonst würde Mario Draghi seine Gelddosis nicht ständig weiter erhöhen. Dass die Geldpolitik mit Niedrigstzinsen an ihre Grenzen stoßen kann, hat bereits John Maynard Keynes mit seiner "Liquiditätsfalle" formuliert. Zinsen bei oder unter Null führen danach nicht automatisch zu mehr Investitionen. Auch andere namhafte Wirtschaftswissenschaftler unserer Tage hegen starke Zweifel am "Allheilmittel" Geldpolitik. Das wird unterschiedlich begründet:

  • der Harvard-Ökonom Larry Summers sieht als Ursache für die anhaltende Wachstumsschwäche vor allem einen gewaltigen Sparüberschuss in den Industrieländern. Da die Zinsen nach unten starr seien, komme es nicht zu einem Marktgleichgewicht, das automatisch für mehr Investitionen sorgen würde. Die Folge sei anhaltende wirtschaftliche Stagnation, die sich nur durch verstärkte staatliche Schulden- und Ausgabenpolitik durchbrechen lasse, um die Sparüberschüsse abzuschöpfen - eine Argumentation ganz auf keynesianischer Linie; 
  • sein US-Kollege Robert Gordon ist noch ein Stück weit pessimistischer. Er sieht Wirtschaftswachstum als ein im Prinzip vorübergehendes Phänomen im Rahmen der ersten und zweiten Industrialisierung. Jetzt müsse man sich grundsätzlich auf eine Ära mit niedrigem Wachstum einstellen. Dagegen helfe weder mehr Staatsverschuldung noch billiges Geld; 
  • Kenneth Rogoff - früher IWF-Chefvolkswirt - sieht die Wachstumsschwäche dagegen als typisches Phänomen bei der Bewältigung von größeren Wirtschaftskrisen. In der Krise gerieten viele Unternehmen und Privatleute, die sich in guten Zeiten verschuldet hätten, in die Überschuldung. Danach brauche es eine gewisse Zeit, um sich finanziell wieder zu konsolidieren. Erst wenn dies gelungen sei, könne die Wirtschaft wieder stärker wachsen. Auch hier spielt Geldpolitik keine tragende Rolle. 

Ein ausgereiztes Blatt

Es könnte sein, dass Mario Draghi die Grenzen seiner Möglichkeiten inzwischen selbst erkannt hat. Dem Vernehmen nach soll sich der EZB-Chef hinter den Kulissen verstärkt für eine Aufweichung strenger europäischer Haushaltsregeln einsetzen. Seine Karten sind jedenfalls nahezu ausgereizt.

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