Die wichtigste Aufgabe der EZB ist die Steuerung der Geldpolitik im Euroraum

Stabilitätshüterin und Krisenmanagerin Die Funktion der EZB

Warum die Europäische Zentralbank mehr ist als nur eine Institution der Geldpolitik-

Die Europäische Zentralbank (EZB) wurde 1998 gegründet, im Vorfeld der Einführung des Euro als gemeinsamer Währung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Ihre Hauptaufgabe ist in Artikel 127 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegt: die Sicherung der Preisstabilität. Damit ist gemeint, dass der Geldwert des Euro über die Zeit möglichst stabil gehalten werden soll – weder durch Inflation noch durch Deflation gefährdet.

Diese Definition der Preisstabilität wurde von der EZB konkretisiert: Eine jährliche Teuerungsrate von zwei Prozent als mittelfristiges Ziel, verstanden als symmetrisch – also in beide Richtungen zu vermeiden. Damit hat die Zentralbank eine klare Richtschnur für ihr Handeln, die jedoch in der Realität oft mit anderen Zielen und Spannungsfeldern konkurriert.


Geldpolitik im Euroraum – Zinsen, Anleihen, Signale

Die wichtigste Aufgabe der EZB ist die Steuerung der Geldpolitik im Euroraum.

Dabei stehen ihr drei klassische Instrumente zur Verfügung:

  • Leitzinsen: Die EZB bestimmt den Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken bei ihr refinanzieren können. Ein niedriger Zinssatz stimuliert Kredite und Investitionen, ein hoher dämpft die Nachfrage.
  • Offenmarktgeschäfte: Über den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren – meist Staatsanleihen – steuert die EZB die Liquidität im Bankensystem.
  • Mindestreserven: Geschäftsbanken müssen bei der EZB einen Teil ihrer Einlagen als Reserve hinterlegen. Durch Anpassungen kann die EZB die Geldschöpfung indirekt beeinflussen.

In der Praxis dominieren seit der Finanzkrise 2008 und verstärkt seit der Eurokrise und der Pandemie neue Formen expansiver Geldpolitik.

Programme wie Quantitative Easing (QE), also der großvolumige Kauf von Anleihen, oder gezielte Langfristkredite an Banken (TLTROs) prägen seither das geldpolitische Umfeld.

Die EZB ist damit auch zum wichtigsten Akteur auf dem europäischen Kapitalmarkt geworden.


Finanzmarktstabilität und Bankenaufsicht – eine wachsende Rolle

Mit der Gründung des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) im Jahr 2014 übernahm die EZB zusätzlich direkte Aufsichtsaufgaben über systemrelevante Banken im Euroraum. Sie prüft Bilanzen, Risikomodelle, Kapitalpuffer und sorgt für einheitliche Standards.

Damit wurde die EZB zum integralen Bestandteil der Finanzmarktarchitektur – nicht mehr nur als geldpolitische Instanz, sondern als Regulierungsbehörde mit tiefem Einblick in die Struktur des Bankensystems. Diese neue Rolle wurde als Konsequenz aus der Eurokrise eingeführt, um die Fragmentierung nationaler Bankenaufsichten zu überwinden und das Vertrauen in den gemeinsamen Markt zu stärken.


Krisenintervention – vom Hüter zur treibenden Kraft

Die Europäische Zentralbank hat sich seit ihrer Gründung tiefgreifend verändert. Von einer klassischen Zentralbank ist sie zu einem vielschichtigen Akteur geworden: Geldpolitikerin, Bankenaufseherin, Krisenmanagerin, kommunikativer Leuchtturm und politischer Faktor. Ihre Hauptaufgabe bleibt die Sicherung der Preisstabilität – doch ihr Handlungsspielraum hat sich erweitert, weil die Realität komplexer geworden ist."

Seit der Staatsschuldenkrise 2010 hat sich die Rolle der EZB erheblich gewandelt. Unter Präsident Mario Draghi sendete die Bank mit dem berühmten Satz „Whatever it takes“ ein unmissverständliches Signal: Sie werde alles tun, um den Euro zu erhalten. Dieser Wandel markierte einen Bruch mit der früher strikt technokratischen Ausrichtung.

Seither agiert die EZB regelmäßig als Stabilisierungskraft in geopolitischen und wirtschaftlichen Krisen – mit weitreichenden Maßnahmen, die viele als „politischer“ wahrnehmen. Dazu zählt der Ankauf von Staatsanleihen hochverschuldeter Länder ebenso wie die indirekte Unterstützung von Konjunkturprogrammen durch niedrige Finanzierungskosten.

Kritiker werfen der EZB vor, damit ihre geldpolitische Unabhängigkeit zu gefährden oder nationale Fiskalpolitik zu kompensieren. Befürworter sehen in ihr die einzige Institution, die handlungsfähig genug ist, um kurzfristige Marktpanik zu beruhigen und langfristig Vertrauen zu sichern.


Der Euro als politisches Projekt – und die EZB mittendrin

Die EZB ist formal unabhängig – doch sie steht im Zentrum eines politischen Projekts: der europäischen Integration. Der Euro ist mehr als eine Währung – er ist Symbol und Instrument für die Einheit Europas. Entsprechend politisch aufgeladen ist auch das Handeln der EZB. Jede Entscheidung hat Auswirkungen auf Mitgliedstaaten, Kapitalströme, Staatsfinanzen und soziale Gerechtigkeit.

Zinsentscheidungen beeinflussen die Refinanzierungskosten von Staaten ebenso wie die Vermögensverteilung zwischen Sparern und Schuldnern. Auch ihre Kommunikation wird politisch interpretiert: Ist die EZB zu deutsch geprägt? Hilft sie dem Süden zu sehr? Ist sie unabhängig genug?

Die EZB bewegt sich damit auf einem schmalen Grat zwischen ökonomischer Steuerung und politischer Deutungshoheit. Ihr Handeln muss nicht nur sachlich begründet, sondern auch kommunikativ vermittelt werden – ein Aspekt, der unter Christine Lagarde stärker betont wird als in früheren Jahren.


Kritik und Kontroversen – zwischen Inflation und Vertrauen

Die EZB steht regelmäßig in der Kritik – mal von deutscher Seite, weil die niedrigen Zinsen die Sparer belasten, mal von südeuropäischen Staaten, weil sie zu wenig gegen Deflation tut. In der Pandemie wurde ihr erneut vorgeworfen, Staatsfinanzierung zu betreiben, was formal verboten ist. Die Programme wurden jedoch gerichtlich bestätigt – unter Hinweis auf ihre geldpolitische Notwendigkeit.

Zugleich hat die EZB die Debatte über grüne Geldpolitik angestoßen. Sie prüft, wie klimabezogene Risiken in ihre Ankaufsprogramme und Risikobewertungen einfließen können. Damit erweitert sich das Spektrum ihrer Aufgaben erneut – und mit ihm die Debatte über Mandat, Zielkonflikte und Legitimität.


Fazit: Die EZB ist mehr als ein Zinsgeber – sie ist Stabilitätsanker im europäischen Gefüge

Die Europäische Zentralbank hat sich seit ihrer Gründung tiefgreifend verändert. Von einer klassischen Zentralbank ist sie zu einem vielschichtigen Akteur geworden: Geldpolitikerin, Bankenaufseherin, Krisenmanagerin, kommunikativer Leuchtturm und politischer Faktor. Ihre Hauptaufgabe bleibt die Sicherung der Preisstabilität – doch ihr Handlungsspielraum hat sich erweitert, weil die Realität komplexer geworden ist.

Für die Finanzmärkte ist die EZB heute eine zentrale Referenzgröße. Ihre Entscheidungen beeinflussen die Bewertung von Anleihen, Aktien, Immobilien und Währungen. Für Bürgerinnen und Bürger wirkt sie indirekt auf Zinsen, Kreditverfügbarkeit und Altersvorsorge. Und für die europäische Politik ist sie zu einer tragenden Säule geworden – auch wenn ihr Fundament gelegentlich unter Druck gerät.

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