Schließen sich Ethik und Rendite aus?

Ein Widerspruch? Ethik und Rendite

Zwischen moralischem Anspruch und finanzieller Realität.

Nachhaltige Geldanlage hat sich längst von einer Nischenbewegung zu einem zentralen Bestandteil des modernen Investierens entwickelt. Doch die Frage bleibt: Schließen sich Ethik und Rendite aus? Oder können sie sich sogar gegenseitig stärken? In der Praxis wird diese Diskussion unter Anlegern, Produktanbietern und Wissenschaftlern leidenschaftlich geführt – mit unterschiedlichen Perspektiven, aber auch zunehmender empirischer Klarheit.


Was bedeutet ethisches Investieren?

Ethisches Investieren meint in der Regel die Berücksichtigung sozialer, ökologischer und unternehmensethischer Kriterien im Anlageprozess.

Ziel ist es, Kapital bewusst in Unternehmen und Projekte zu lenken, die sich an bestimmten moralischen oder gesellschaftlichen Maßstäben orientieren.

Die bekanntesten Ansätze sind:

  • Ausschlusskriterien (z. B. keine Waffenhersteller, keine fossilen Energien).
  • Best-in-Class-Ansätze, bei denen nur die nachhaltigsten Unternehmen einer Branche in Frage kommen.
  • Impact Investing, bei dem zusätzlich zur Rendite eine messbare gesellschaftliche Wirkung angestrebt wird.

Diese Prinzipien basieren auf der Überzeugung, dass Investitionen nicht nur finanziellen Zielen dienen sollten, sondern auch Verantwortung gegenüber Umwelt, Gesellschaft und künftigen Generationen tragen.


Der vermeintliche Renditeverzicht

Einer der häufigsten Einwände gegenüber ethischem Investieren lautet: Wer moralisch investiert, schränkt seine Auswahl ein – und nimmt damit Einbußen bei der Rendite in Kauf. Tatsächlich war diese Annahme lange Zeit tief in der Finanzwelt verankert. Doch zahlreiche Studien der letzten Jahre zeichnen ein differenzierteres Bild.

Meta-Analysen und empirische Untersuchungen deuten darauf hin, dass nachhaltige Investments langfristig keineswegs schlechter abschneiden als konventionelle Anlagen. Im Gegenteil: In vielen Fällen schneiden sie vergleichbar oder sogar besser ab – insbesondere in Krisenzeiten, wenn Unternehmen mit stabilen ESG-Profilen robuster erscheinen.

Ein entscheidender Grund: Nachhaltigkeit kann als ein Indikator für gutes Management, Innovationsfähigkeit und Risikobewusstsein gelten. Unternehmen, die ökologische und soziale Risiken aktiv managen, sind oft resilienter gegenüber Skandalen, Regulierungsänderungen und Reputationsrisiken.


Kurzfristige Schwankung vs. langfristige Stabilität

Ethik und Rendite müssen sich nicht ausschließen – sie fordern aber ein anderes Verständnis von Wertentwicklung. Wer ausschließlich kurzfristige Gewinnmaximierung sucht, wird sich schwer tun, in ESG-Investments einen Vorteil zu sehen. Wer hingegen auf Langfristigkeit, Stabilität und gesellschaftliche Verantwortung setzt, findet in ethischem Investieren eine stimmige Strategie."

Trotzdem gilt: Nachhaltige Investments können kurzfristig auch unter Druck geraten – vor allem, wenn bestimmte Sektoren (z. B. fossile Energien) besonders stark performen und aus ESG-Portfolios ausgeschlossen bleiben. Ethikorientierte Anleger müssen daher mitunter auf kurzfristige Renditechancen verzichten.

Langfristig jedoch zeigt sich, dass der Fokus auf Nachhaltigkeit keine systematische Unterperformance mit sich bringt. Die Volatilität kann sogar niedriger ausfallen, wenn Risiken wie Umweltkatastrophen, Arbeitsrechtsverletzungen oder Governance-Probleme frühzeitig erkannt und vermieden werden.


Werteorientierung als Renditequelle

Ein weiterer Aspekt: Der wachsende gesellschaftliche Druck auf Unternehmen, ethisch zu handeln, führt dazu, dass ESG-Kriterien auch von der Kapitalmarktperspektive zunehmend als wertrelevant gelten. Nachhaltigkeit ist nicht nur moralische Überzeugung – sie wird zum Wettbewerbsfaktor. Anleger, die frühzeitig auf diese Entwicklung setzen, können von einer Neubewertung profitieren.

Hinzu kommt, dass ethisches Investieren für viele Menschen eine emotionale Rendite erzeugt: das Gefühl, mit dem eigenen Kapital Positives zu bewirken. Diese Art der Selbstwirksamkeit kann das Anlageverhalten langfristig stabilisieren – ein oft unterschätzter Vorteil.


Fazit: Kein Widerspruch, sondern eine Frage der Perspektive

Ethik und Rendite müssen sich nicht ausschließen – sie fordern aber ein anderes Verständnis von Wertentwicklung. Wer ausschließlich kurzfristige Gewinnmaximierung sucht, wird sich schwer tun, in ESG-Investments einen Vorteil zu sehen. Wer hingegen auf Langfristigkeit, Stabilität und gesellschaftliche Verantwortung setzt, findet in ethischem Investieren eine stimmige Strategie.

Die Debatte ist damit keineswegs beendet. Doch sie verlagert sich zunehmend weg von der Frage „Ob Ethik und Rendite vereinbar sind?“ hin zu „Wie wir Rendite definieren – und welche Welt wir mit unserem Kapital mitgestalten wollen.“

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