Lichtblick für ETF-Investoren Europa im Fokus
Lange Zeit galt der US-Aktienmarkt als alternativlos für ETF-Investoren. Die hohe Liquidität, das Übergewicht großer Tech-Konzerne im Index und die anhaltende Wachstumsdynamik machten amerikanische Indizes wie den S&P 500 zum klaren Favoriten unter passiven Anlegern. Doch das Blatt beginnt sich zu wenden – und Europa rückt verstärkt in den Fokus globaler Kapitalströme.
Chris Iggo, Chief Investment Officer beim Vermögensverwalter AXA Investment Managers, sieht darin keinen kurzfristigen Trend, sondern eine potenziell strukturelle Neuausrichtung. Aus seiner Sicht hat der europäische Aktienmarkt eine Reihe von Eigenschaften, die ihn für ETF-Investoren zunehmend attraktiv machen – insbesondere in einem Umfeld, in dem Bewertungen, Diversifikation und Zyklik eine größere Rolle spielen als reine Wachstumsfantasie.
Kapitalflüsse verändern sich: ETF-Anleger entdecken Europa
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Doch die markttechnische Konzentration auf eine Handvoll Mega-Caps hat zunehmend Fragen aufgeworfen: Wie nachhaltig ist ein Portfolio, das zu 20 oder 30 Prozent von nur fünf Aktien abhängt? Wie groß ist das Risiko von Korrekturen, wenn die Bewertungen ausgereizt sind? Und wie viele Chancen bleiben dabei ungenutzt – etwa in Sektoren oder Regionen, die unter dem Radar laufen?
Chris Iggo stellt fest, dass ETF-Investoren inzwischen umschichten – nicht radikal, aber spürbar. Kapital fließt vermehrt in europäische Aktien-ETFs, in Themen-ETFs mit regionalem Fokus und in Strategien, die auf Bewertungsvorteile statt Indexgewichtung setzen.
Europas Argumente: Bewertungen, Substanz, Nachholpotenzial
Was genau macht Europa aus Sicht eines institutionellen Investors interessant? Iggo nennt mehrere Gründe:
- Attraktivere Bewertungen: Viele europäische Aktien werden im Vergleich zu ihren US-Pendants mit deutlichen Bewertungsabschlägen gehandelt – gemessen an Kennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Buchwert.
- Höhere Dividendenrenditen: Europäische Unternehmen schütten tendenziell mehr an ihre Aktionäre aus, was in einem zinssensiblen Umfeld ein zusätzliches Argument für Income-orientierte Anleger sein kann.
- Geringere Abhängigkeit von einzelnen Sektoren: Während der US-Markt stark technologiegetrieben ist, bietet Europa eine breitere Branchenverteilung – etwa mit einem Fokus auf Industrie, Konsumgüter, Gesundheitswesen und Finanzen.
- Konjunkturelles Aufholpotenzial: Nach Jahren der wirtschaftlichen Zurückhaltung könnte Europa – unterstützt durch Investitionsprogramme, Energiewende und strukturelle Reformen – ein neues Wachstumsnarrativ entwickeln.
Diese Faktoren machen europäische ETFs zu einem ergänzenden Baustein in global ausgerichteten Portfolios – und in manchen Fällen sogar zu einer bewussten Alternative zu den USA.
ETF als strategisches Instrument, nicht nur als Sparplan
ETF-Investoren tun gut daran, ihre geografischen Präferenzen zu überdenken. Der übermäßige Fokus auf die USA hat lange funktioniert – aber er birgt zunehmend Klumpenrisiken. Europa hingegen bietet Raum für differenzierte Strategien, fundamentale Argumente und langfristige Perspektiven."
Für Chris Iggo steht außer Frage, dass ETFs mehr sind als ein Vehikel für passives Sparen. Sie sind ein strategisches Allokationsinstrument, das es Anlegern erlaubt, gezielt Marktsegmente, Themen und Regionen abzubilden – ohne dabei auf Einzeltitelauswahl angewiesen zu sein.
Gerade in Europa, wo viele Anleger traditionell aktiver denken, könnten ETFs eine neue Rolle bekommen: nicht als bloße Kopie von Indizes, sondern als Mittel, um gezielt unterbewertete Märkte oder strukturierte Investmentideen umzusetzen. Auch Nachhaltigkeitsthemen, Small-Cap-Strategien oder sektorale Rotationen lassen sich über spezialisierte ETFs effizient und kostengünstig realisieren.
Iggo betont dabei: Der Erfolg von ETF-Investments hängt weniger vom Produkt als vom Kontext der Nutzung ab. Wer ETFs strategisch einsetzt – etwa in antizyklischer Manier oder im Rahmen einer globalen Bewertungsschere – kann aus der passiven Hülle eine aktive Wirkung erzielen.
Risiken und Relativierung: Europa bleibt kein Selbstläufer
Trotz aller Vorteile warnt Iggo jedoch vor überzogenen Erwartungen. Europa sei kein Selbstläufer. Die strukturellen Probleme – von der geringen Innovationskraft in Schlüsseltechnologien über regulatorische Hürden bis hin zur demografischen Entwicklung – bleiben bestehen. Auch geopolitische Risiken, etwa mit Blick auf die Energieabhängigkeit oder das Verhältnis zu China und Russland, sind in Europa deutlich präsenter als in den USA.
Für ETF-Investoren bedeutet das: Europa ist kein sicherer Hafen, aber ein wertorientiertes Gegengewicht. Wer langfristig denkt und nicht nur auf Momentum setzt, findet hier eine Region mit interessanter Bewertung, solider Substanz und wachsender Kapitalmarktkompetenz.
Die Herausforderung bestehe darin, das richtige Timing und die geeigneten Instrumente zu finden – und dabei die Eigenheiten der europäischen Märkte zu berücksichtigen, etwa die höhere Zyklizität, die fragmentierte Währungsstruktur und die geringere Indexdominanz.
Fazit: Ein neuer Blick auf Europa lohnt sich
Für Chris Iggo steht fest: ETF-Investoren tun gut daran, ihre geografischen Präferenzen zu überdenken. Der übermäßige Fokus auf die USA hat lange funktioniert – aber er birgt zunehmend Klumpenrisiken. Europa hingegen bietet Raum für differenzierte Strategien, fundamentale Argumente und langfristige Perspektiven.
Der Kontinent ist kein Ersatz für die USA, aber ein wichtiger Ergänzungsbaustein in einer globalen Anlagestrategie. Und gerade für jene, die in Bewertung und Nachhaltigkeit denken, könnte Europa in den kommenden Jahren mehr Renditepotenzial bieten als viele erwarten.

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