Der trügerische Blick auf Zahlen Geldillusion in der Finanzberatung
Warum reale Renditen das bessere Maß sind.
In der Finanzberatung zählt, was sich rechnen lässt – und genau darin liegt eine der größten Fallstricke: Die Orientierung an nominalen Zahlenwerten ohne Berücksichtigung der Inflation. Kunden, die auf Tagesgeld mit 2 % Zinsen blicken oder eine Anleihe mit 3 % Verzinsung im Depot halten, fühlen sich vermeintlich sicher. Doch wenn die Inflation im gleichen Zeitraum bei 3 % oder darüber liegt, sinkt ihre reale Kaufkraft – und damit auch der tatsächliche Wert ihrer Anlage.
Diese kognitive Verzerrung wird in der Verhaltensökonomie als Geldillusion beschrieben: Menschen neigen dazu, nominale Beträge für aussagekräftiger zu halten als reale, inflationsbereinigte Größen. Der Fehler: Sie rechnen mit dem, was sie sehen – nicht mit dem, was übrig bleibt.
Beratungsqualität auf dem Prüfstand
Gerade in der Kundenberatung kann dieser Denkfehler schwerwiegende Folgen haben. Wenn nominale Renditen als ausreichend angesehen werden, ohne die Teuerung mit einzubeziehen, entsteht ein verzerrtes Bild von Sicherheit und Performance. Das kann nicht nur zu Renditeeinbußen führen, sondern langfristig auch das Vertrauen in die Beratung untergraben.
Berater stehen hier in der Verantwortung: Sie müssen nicht nur über Renditechancen sprechen, sondern auch den realen Wertzuwachs thematisieren. Das betrifft nicht nur Sparpläne oder Rentenversicherungen, sondern auch Themen wie Kapitalerhalt, Vorsorgeplanung und Entnahmephase im Ruhestand.
Emotionale Effekte verstärken die Illusion
Hinzu kommt die psychologische Komponente. Eine nominale Zinsgutschrift auf dem Konto erzeugt ein unmittelbar positives Gefühl – selbst wenn dieses Plus durch Preissteigerungen wieder aufgezehrt wird. Kunden verbinden mit steigenden Zahlen Stabilität und Wachstum, auch wenn das ökonomisch nicht zutrifft.
Gerade konservative Anleger sind anfällig für diese Illusion. Sie wählen vermeintlich „sichere“ Produkte mit festem Zinssatz, ohne zu realisieren, dass diese bei anziehender Inflation reale Verluste verursachen können. In Zeiten niedriger Zinsen und hoher Inflation wird dieser Effekt besonders relevant – und zur echten Herausforderung in der Kommunikation.
Aufgaben der Finanzberatung
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Ein zentraler Aspekt professioneller Beratung besteht darin, nominale und reale Größen zu unterscheiden – und diese Unterscheidung dem Kunden verständlich zu machen. Dazu gehört:
- Aufklärung über den Unterschied zwischen nominaler und realer Rendite.
- Darstellung von Inflationswirkungen auf Langfristplanung und Altersvorsorge.
- Realistische Szenarien für Kaufkraftentwicklung, vor allem bei planbaren Ausgaben (z. B. Ruhestand).
- Betonung inflationsgeschützter Strategien, etwa über Sachwerte, inflationsindexierte Anleihen oder flexible Anlagekonzepte.
Nur wenn die Beratung konsequent inflationsbereinigt denkt und kommuniziert, kann sie dem Anspruch gerecht werden, finanzielle Zukunftssicherheit zu bieten.
Digitale Tools: Chance und Risiko
Geldillusion ist kein Nischenproblem, sondern eine weit verbreitete Wahrnehmungsverzerrung – und damit ein strukturelles Risiko in der Finanzberatung."
Auch in digitalen Tools wie Robo-Advisors, Online-Vorsorgeplanern oder Bankportalen zeigt sich die Geldillusion. Viele Visualisierungen arbeiten mit nominalen Endwerten – beispielsweise „Ihr Depot wächst auf 100.000 Euro“ – ohne transparent darzustellen, wie viel davon unter Berücksichtigung der Inflation übrig bleibt. Das schafft ein trügerisches Gefühl von Planungssicherheit.
Moderne Finanzberatung sollte daher auf Tools setzen, die reale Kaufkraftverluste visualisieren und alternative Szenarien anbieten. Eine inflationsbereinigte Darstellung sollte nicht als Zusatzinformation, sondern als Standard etabliert werden.
Fazit: Klarheit schafft Vertrauen
Geldillusion ist kein Nischenproblem, sondern eine weit verbreitete Wahrnehmungsverzerrung – und damit ein strukturelles Risiko in der Finanzberatung. Wer nominal denkt, rechnet am Ende oft falsch. Die Aufgabe der Beratung besteht darin, den Kunden den Unterschied bewusst zu machen – nicht durch belehrende Warnungen, sondern durch verständliche Sprache, klare Visualisierungen und ehrliche Szenarien.
In einer Welt mit zunehmend unsicherem Inflationsumfeld ist diese Aufklärung keine Kür mehr, sondern Pflicht. Nur wer reale Werte vermittelt, kann auch langfristiges Vertrauen schaffen.

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