Finanzlexikon Geschichte des passiven Investierens
Wie aus einer Theorie ein Massenmarkt wurde.
Die Idee des passiven Investierens begann als theoretische Randbemerkung. Heute ist sie eine der bestimmenden Strukturen moderner Finanzmärkte. Zwischen diesen beiden Punkten liegt ein halbes Jahrhundert voller Zweifel, Diskussionen und technologischer Veränderungen. Passives Investieren entwickelte sich nicht durch Marketing oder Produktideen, sondern durch eine akademische Frage: Wie effizient sind Märkte wirklich?
Frühphase einer unbequemen Idee
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In den 1960er-Jahren entstand der Gedanke, dass Märkte Informationen so schnell verarbeiten, dass einzelne Anleger kaum systematisch bessere Ergebnisse erzielen können. Dieser Gedanke formte die Theorie effizienter Märkte. Die Logik war einfach: Wenn Preise Informationen widerspiegeln, dann lässt sich der Markt schwer schlagen.
Das war ein Bruch mit der damaligen Praxis. Professionelle Vermögensverwaltung beruhte auf Auswahl, Analyse und Prognosen. Ein Ansatz, der darauf verzichtete, wirkte wie ein Angriff auf ein ganzes Berufsbild. Passivität galt als Verzicht – nicht als Strategie.
Die ersten Indexfonds waren deshalb kein Erfolg. Oft wurde bezweifelt, dass Anleger Produkte akzeptieren würden, die bewusst auf Prognosen verzichten. Doch die Idee blieb bestehen, weil sie ein strukturelles Problem ansprach: Die meisten aktiven Strategien übertrafen den Markt langfristig nicht.
Der Weg zur praktischen Umsetzung
Erst in den 1970er-Jahren kamen die ersten breit zugänglichen Indexfonds auf den Markt. Sie waren einfach: Sie kopierten bekannte Indizes wie den S&P 500. Diese Einfachheit wirkte zunächst wie eine Schwäche. Doch sie wurde zur Stärke, weil die Methode zuverlässig, transparent und kostengünstig war.
Zwei Entwicklungen beschleunigten die Verbreitung:
- Datenverfügbarkeit: Marktanalysen zeigten zunehmend, dass viele aktive Fonds langfristig hinter ihren Vergleichsindizes zurückblieben.
- Kostenstruktur: Geringe Verwaltungskosten wurden zu einem entscheidenden Vorteil gegenüber aktiven Produkten.
Damit veränderte sich die Perspektive. Passives Investieren wurde nicht mehr als „Nichtstun“ verstanden, sondern als effiziente Art, Marktentwicklung abzubilden.
Die stille Transformation
Die Geschichte zeigt, dass Einfachheit manchmal die größte Veränderungskraft besitzt."
Der Durchbruch kam, als große institutionelle Anleger Indexstrategien systematisch integrierten. Pensionsfonds, Stiftungen und Versicherungen suchten stabile, skalierbare Lösungen. Indexfonds erfüllten diese Anforderungen. Mit wachsender Größe stieg ihre Bedeutung für die Marktmechanik selbst.
Nach und nach entstand eine neue Infrastruktur: Replikationsmethoden, ETFs, Arbitrageprozesse und Handelsmechanismen bildeten ein technisches Netzwerk. Passivität wurde nicht nur eine Idee, sondern ein System. Die Produkte wuchsen, weil sie in einer komplexer werdenden Welt Orientierung boten.
Die Gegenwart eines einst belächelten Ansatzes
Heute prägen Indexfonds und ETFs das Fundament vieler Märkte. Sie sind kein Gegenspieler zu aktiven Strategien, sondern ein struktureller Bestandteil des Finanzsystems. Die Idee der Effizienz ist nicht vollständig bestätigt, aber sie bleibt ein nützlicher Rahmen: Wer nicht sicher weiß, welche Anlage besser ist, folgt der Marktentwicklung.
Gleichzeitig entstehen neue Fragen. Die Größe passiver Produkte beeinflusst Liquidität, Kapitalallokation und Risikostrukturen. Indizes setzen implizite Regeln, und Kapital folgt diesen Regeln automatisch. Dadurch werden passive Ströme selbst zu einem wirtschaftlichen Faktor.
Fazit
Passives Investieren begann als theoretische Überlegung und entwickelte sich zu einer zentralen Architektur moderner Finanzmärkte. Der Wandel vollzog sich langsam, aber konsequent: von einer akademischen Frage über eine praktische Lösung hin zu einer globalen Infrastruktur. Die Geschichte zeigt, dass Einfachheit manchmal die größte Veränderungskraft besitzt.
Erst der Mensch, dann das Geschäft







