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Finanzlexikon Glaubenssätze prüfen: Anleihen und Inflation

Warum festverzinsliche Wertpapiere nicht immer der sichere Hafen sind – und was Anleger über das Zusammenspiel wirklich wissen sollten.

Seit Jahrzehnten gelten Anleihen – insbesondere Staatsanleihen hoher Bonität – als verlässliches Gegengewicht zu schwankungsanfälligen Aktienmärkten. Sie versprechen regelmäßige Zinszahlungen, Kapitalrückzahlung am Ende der Laufzeit und geringere Volatilität. Gerade konservative Anleger schätzen diese Eigenschaften.

Doch dieses Bild hat Risse bekommen – spätestens seit der Rückkehr der Inflation nach Jahren niedriger Teuerungsraten. Viele Anleger mussten in den letzten Jahren lernen: Festverzinsliche Papiere reagieren empfindlich auf steigende Inflations- und Zinsniveaus – und das deutlich spürbar im Kurs.


Der Denkfehler: Nominalzins schützt nicht vor realem Verlust

Ein verbreiteter Irrtum: Solange Anleihen nominal Zinsen zahlen, seien sie ein sicherer Wert. Doch wer so denkt, übersieht den entscheidenden Unterschied zwischen nominaler und realer Rendite. Steigt die Inflation über den Kupon hinaus, sinkt der reale Ertrag ins Negative.

Beispiel: Eine zehnjährige Anleihe mit 2 % Kupon verliert bei einer Inflationsrate von 5 % Jahr für Jahr real an Wert – ganz unabhängig vom Rückzahlungsversprechen am Ende der Laufzeit. In der Zwischenzeit fällt der Marktpreis der Anleihe, weil neue Papiere höhere Zinsen bieten. Wer vorzeitig verkaufen will, realisiert Verluste.

Das macht deutlich: Inflation ist der natürliche Feind der klassischen Anleihe – sie frisst Rendite und drückt Kurse.


Inflation – ein stiller Risikofaktor mit großer Wirkung

Inflation wirkt schleichend, aber nachhaltig. Gerade in Phasen stark steigender Verbraucherpreise – wie zuletzt infolge gestörter Lieferketten, Energiepreisschocks und expansiver Geldpolitik – geraten Anleihemärkte unter Druck.

Institutionelle Anleger, die auf laufende Erträge angewiesen sind, verkaufen niedrig verzinste Bestände, um in neue, höher verzinste Anleihen umzuschichten.

Dieser sogenannte „Zins-Schock“ kann sich wellenartig durch den Markt ziehen – mit Kursverlusten auch bei langlaufenden, eigentlich sicheren Papieren.

Besonders betroffen sind dabei:

  • Langfristige Anleihen, da ihr Kurs stärker auf Zinsveränderungen reagiert.
  • Nominalanleihen ohne Inflationsschutz, da sie reale Verluste nicht kompensieren.
  • Investmentfonds mit starren Anleihestrategien, die nicht schnell genug reagieren können.

Der Glaube an die inverse Beziehung zu Aktien – ein Trugschluss in Inflationsphasen

Anleihen bieten nicht per se Sicherheit – schon gar nicht in einem inflationären Umfeld. Der alte Glaubenssatz, sie seien automatisch risikosenkend, muss differenziert betrachtet werden. Ihre Schutzwirkung hängt stark von Marktphase, Laufzeit, Zinsniveau und Inflationserwartung ab."

Lange galt: Wenn Aktienmärkte fallen, steigen Anleihen – und umgekehrt. Diese inverse Korrelation bildete das Fundament vieler Mischportfolios. Doch auch dieser Zusammenhang bricht in Inflationsphasen auf.

Denn: Steigende Inflation trifft Aktien und Anleihen gleichzeitig. Unternehmen leiden unter höheren Kosten und Kaufkraftverlust der Kunden – Anleihen unter steigenden Zinsen und sinkender Realverzinsung. In solchen Szenarien kann es zu gleichzeitigen Kursverlusten kommen – die vermeintlich sichere Kombination versagt.

Besonders deutlich wurde das 2022: Aktienmärkte litten unter geopolitischen Risiken und Rezessionsängsten – Anleihen unter rapide steigenden Zinsen. Das Ergebnis: Verluste auf breiter Front, selbst bei vermeintlich defensiven Portfolios.


Wie reagieren – und welche Alternativen gibt es?

Anleihen sind nicht obsolet – aber sie müssen anders bewertet und eingesetzt werden als früher. Für Anleger bedeutet das:

  • Laufzeitmanagement: Kurzlaufende Anleihen sind weniger zinssensibel und bieten mehr Flexibilität.
  • Inflationsindexierte Anleihen können reale Kaufkraft sichern, sind aber nicht frei von Marktrisiken.
  • Floating Rate Notes (variabel verzinste Anleihen) reagieren positiver auf Zinsanstiege.
  • Diversifizierung über verschiedene Emittenten, Regionen und Währungen kann helfen, spezifische Risiken abzufedern.

Zudem sollten Anleger prüfen, welche Rolle Anleihen im eigenen Portfolio erfüllen sollen: Kapitalerhalt, Liquiditätspuffer, Ertragsquelle? Die Antwort darauf entscheidet über Auswahl und Gewichtung.


Fazit: Schutzwirkung mit Einschränkungen

Anleihen bieten nicht per se Sicherheit – schon gar nicht in einem inflationären Umfeld. Der alte Glaubenssatz, sie seien automatisch risikosenkend, muss differenziert betrachtet werden. Ihre Schutzwirkung hängt stark von Marktphase, Laufzeit, Zinsniveau und Inflationserwartung ab.

Wer diese Zusammenhänge erkennt, kann Anleihen auch weiterhin sinnvoll nutzen – als Teil einer durchdachten, dynamischen Anlagestrategie. Doch blindes Vertrauen in „sichere Zinsen“ ist gefährlich – besonders dann, wenn Geld an Wert verliert und Märkte um Orientierung ringen.

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