Finanzlexikon Mythen und Realität: Immobilien
Immobilien als sichere Anlage.
„Betongold“ – kaum ein Begriff beschreibt die deutsche Einstellung zu Immobilien besser. Ein eigenes Haus oder eine Wohnung gilt als ultimative Absicherung, als Garant für Stabilität und Inflationsschutz. Doch was steckt hinter diesem Mythos? Der Rückblick auf historische Entwicklungen zeigt, dass Immobilien tatsächlich eine wichtige Rolle im Vermögensaufbau spielen – aber längst nicht so unerschütterlich sind, wie ihr Ruf vermuten lässt.
Der Mythos vom sicheren Hafen
Immobilien wirken unerschütterlich, weil sie sichtbar und greifbar sind. Während Aktienkurse täglich schwanken und abstrakte Zahlen darstellen, lässt sich ein Haus oder eine Wohnung anfassen, bewohnen und vermieten. Viele verbinden damit die Vorstellung:
- Immobilien verlieren nie an Wert.
- Sie schützen zuverlässig vor Inflation.
- Sie sind krisenfest und unabhängig von Finanzmärkten.
Diese Überzeugungen haben in Deutschland besonders tiefe Wurzeln. Nach den Erfahrungen mit Währungsreformen und Inflation galten Immobilien oft als einzig verlässlicher Wertspeicher.
Realität im historischen Rückblick
Tatsächlich haben Immobilien über lange Zeiträume solide Renditen gebracht – aber nicht ohne Schwankungen und Risiken.
- Langfristige Studien zeigen: Wohnimmobilien erzielten global seit 1900 durchschnittlich rund 4–6 % nominale Rendite pro Jahr – meist niedriger als Aktien, aber stabiler.
- In Deutschland stiegen die Immobilienpreise besonders seit den 2010er-Jahren stark: In Metropolen wie München oder Berlin verdoppelten oder verdreifachten sich die Preise innerhalb eines Jahrzehnts.
- Doch es gibt auch Gegenbeispiele: Nach dem Wiedervereinigungsboom fielen die Immobilienpreise in vielen ostdeutschen Regionen über Jahre hinweg. Wer in der falschen Lage investierte, musste reale Verluste hinnehmen.
Die Realität lautet: Immobilien sind wertbeständig im Durchschnitt, aber keineswegs immer im Einzelfall.
Krisen und Brüche im Mythos
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Immobilienmärkte sind keineswegs immun gegen Krisen.
- USA 2008: Der Zusammenbruch des Häusermarkts war der Auslöser der Finanzkrise. Millionen Amerikaner verloren ihr Eigenheim, Preise brachen regional um mehr als 40 % ein.
- Deutschland 2022/23: Die abrupte Zinswende führte zu einer Abkühlung des Immobilienmarkts. Nach Jahren steigender Preise sanken die Werte in vielen Regionen um 5–10 %, bei Gewerbeimmobilien noch deutlich stärker.
- Japan seit 1990: Nach dem Platzen der Immobilienblase verloren Grundstücke und Wohnungen in vielen Städten über Jahrzehnte an Wert.
Diese Beispiele zeigen: Immobilien sind nicht immer krisenfest, sondern stark abhängig von Zinsen, Einkommenserwartungen und demografischer Entwicklung.
Inflation und Immobilien – ein differenzierter Schutz
Wer Immobilien als Teil eines diversifizierten Portfolios sieht, wird gut fahren. Wer jedoch alles auf „Betongold“ setzt, vertraut einem Mythos, der in Krisen Risse bekommt."
Einer der stärksten Mythen lautet: Immobilien sind der perfekte Inflationsschutz. Tatsächlich steigen Mieten und Immobilienpreise langfristig oft im Einklang mit der Inflation. Doch entscheidend sind die Finanzierungskosten:
- In Niedrigzinsphasen wie 2010–2021 war der Inflationsschutz perfekt, da Kredite günstig waren und Preise stiegen.
- In Hochzinsphasen kehrt sich das Bild um: Steigende Finanzierungskosten drücken die Nachfrage, Preise fallen, auch wenn die Inflation hoch ist.
Das bedeutet: Immobilien schützen nicht automatisch vor Inflation, sondern nur unter günstigen Rahmenbedingungen.
Psychologie und Kultur
Warum hält sich der Mythos dennoch so hartnäckig? Weil Immobilien nicht nur eine Geldanlage sind, sondern auch ein Lebensgefühl. Ein Eigenheim vermittelt Sicherheit, Unabhängigkeit und sozialen Status. Viele Menschen bewerten daher nicht nur die Rendite, sondern den emotionalen Nutzen.
Gerade in Deutschland, mit seiner vergleichsweise niedrigen Eigentumsquote (rund 46 % der Haushalte), ist das Eigenheim ein Symbol für Stabilität – fast eine kulturelle Leitidee.
Fazit
Der Rückblick auf Immobilien als Anlage zeigt:
- Ja, Immobilien sind stabiler als viele andere Anlageformen. Sie haben über Jahrzehnte solide Renditen gebracht und bieten einen gewissen Inflationsschutz.
- Nein, sie sind kein Garant für ständigen Wertzuwachs. Märkte schwanken, Zinsen und Demografie können ganze Regionen entwerten.
- Immobilien sind mehr als Zahlen. Ihr besonderer Reiz liegt in Nutzwert, Sicherheit und kultureller Verankerung.
Wer Immobilien als Teil eines diversifizierten Portfolios sieht, wird gut fahren. Wer jedoch alles auf „Betongold“ setzt, vertraut einem Mythos, der in Krisen Risse bekommt.
Freiräume schaffen für ein gutes Leben.