Finanzlexikon Risiken von ETFs
Liquidität, Marktkonzentration und systemische Folgen.
ETFs haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten vom Nischenprodukt zum Massenphänomen entwickelt. Sie stehen für niedrige Kosten, Transparenz und einfachen Zugang zu globalen Märkten. Doch so revolutionär sie auch sind – sie sind nicht frei von Risiken. Wer die Vorteile von ETFs nutzen will, sollte auch ihre Schattenseiten kennen.
1. Das Trugbild der absoluten Sicherheit
Viele Anleger betrachten ETFs als sichere und unkomplizierte Anlageform. Schließlich „kauft man den Markt“ und spart sich die Unsicherheit, ob ein Fondsmanager die richtige Auswahl trifft. Doch dieser Gedanke greift zu kurz. Auch ein Index kann stark fallen, wie die Finanzkrise 2008 oder der Corona-Crash 2020 gezeigt haben. Ein ETF ist daher kein Schutzschild gegen Verluste, sondern nur ein Spiegel der Marktentwicklung – positiv wie negativ.
2. Liquiditätsrisiken in Stressphasen
ETFs sind ein mächtiges Instrument, das die Geldanlage einfacher, günstiger und breiter zugänglich gemacht hat. Doch sie sind nicht die risikolosen Produkte, als die sie manchmal erscheinen. Marktverwerfungen, Liquiditätsengpässe, Überkonzentration auf wenige Titel und die immense Machtstellung großer Anbieter sind reale Gefahren."
Unter normalen Marktbedingungen sind ETFs hoch liquide: Sie lassen sich wie Aktien jederzeit an der Börse handeln. Doch in Krisenzeiten kann diese Liquidität trügerisch sein. Wenn viele Anleger gleichzeitig verkaufen wollen, können die Preise von ETFs kurzfristig stärker schwanken als die ihrer Basiswerte. Zwar stabilisieren sogenannte „Authorized Participants“ den Handel, indem sie ETFs gegen die enthaltenen Wertpapiere tauschen, doch in extremen Stressphasen kann es zu Abweichungen kommen.
Gerade bei ETFs auf weniger liquide Märkte – etwa Hochzinsanleihen oder Schwellenländeranleihen – besteht die Gefahr, dass die scheinbare Handelsflexibilität an ihre Grenzen stößt.
3. Marktkonzentration durch Indexgewichtung
Die Struktur vieler Indizes führt zu einer Übergewichtung weniger Unternehmen. Im S&P 500 dominieren Tech-Giganten wie Apple, Microsoft oder Alphabet, die zusammen einen erheblichen Anteil am Index stellen. ETFs, die den Index nachbilden, lenken automatisch Kapital in diese Titel – unabhängig von ihrer Bewertung.
Das Ergebnis ist eine verstärkende Rückkopplung: Je größer ein Unternehmen ist, desto mehr Kapital fließt hinein. Dadurch können Überbewertungen entstehen und die Marktdynamik wird verzerrt. Für Anleger bedeutet das, dass ein scheinbar breit gestreuter ETF in Wahrheit stark von wenigen Titeln abhängt.
4. Systemische Risiken durch die ETF-Dominanz
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Mit dem gewaltigen Wachstum der ETF-Industrie sind neue Fragen nach der Stabilität des Finanzsystems entstanden. Heute verwalten die größten Anbieter – BlackRock, Vanguard und State Street – zusammen Billionenbeträge. Sie sind Großaktionäre in nahezu allen bedeutenden Unternehmen der Welt.
Diese Konzentration von Stimmrechten wirft gleich mehrere Probleme auf:
- Corporate Governance: Die großen Anbieter haben erheblichen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen, doch ihre Abstimmungen folgen meist standardisierten Prozessen, nicht immer den Interessen der Anleger.
- Systemrelevanz: Gerät einer der Anbieter in Schwierigkeiten, könnten Schockwellen durch das gesamte Finanzsystem laufen.
- Herdenverhalten: Wenn immer mehr Kapital passiv in dieselben Indizes fließt, könnte die Preissignalfunktion der Märkte leiden. Aktive Anleger, die Bewertungen hinterfragen, werden zur Minderheit.
5. Komplexität bei synthetischen ETFs
Ein weiterer Risikofaktor betrifft die Art der Indexabbildung. Während physisch replizierende ETFs die im Index enthaltenen Aktien tatsächlich kaufen, nutzen synthetische ETFs Derivate, um den Index nachzubilden. Das spart Kosten, birgt aber Kontrahentenrisiken: Fällt der Partner der Swap-Vereinbarung aus, kann der ETF darunter leiden. Zwar gibt es Absicherungsmechanismen, doch die Komplexität steigt, und viele Privatanleger sind sich dieser Unterschiede gar nicht bewusst.
6. Fazit
ETFs sind ein mächtiges Instrument, das die Geldanlage einfacher, günstiger und breiter zugänglich gemacht hat. Doch sie sind nicht die risikolosen Produkte, als die sie manchmal dargestellt werden. Marktverwerfungen, Liquiditätsengpässe, Überkonzentration auf wenige Titel und die immense Machtstellung großer Anbieter sind reale Gefahren.
Für Anleger gilt daher: ETFs sind ein hervorragendes Werkzeug, wenn sie bewusst eingesetzt werden – als Basisanlage, aber nicht als unkritisches Allheilmittel. Wer ihre Risiken kennt, kann sie einschätzen und im Portfolio durch Diversifikation, breite Streuung und die Auswahl verschiedener Indextypen ausgleichen.

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