Je mehr grüne Energie ins System kommt, desto weniger attraktiv ist sie in einem unregulierten Marktumfeld

Energiewende verlangt neue ökonomische Antworten Rückgang aus Wind und Sonne

Energiewende zwischen Erfolg und Preisverfall: Warum der Ausbau grüner Energie nicht nur Gewinner kennt.

Die Energiewende in Deutschland und Europa schreitet weiter voran. Der Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere aus Photovoltaik und Windkraft, nimmt an Dynamik zu – gestützt durch ambitionierte Klimaziele, staatliche Förderprogramme und gesellschaftlichen Rückhalt. In den kommenden Jahren werden große Mengen an zusätzlicher Erzeugungskapazität ans Netz gehen. Der Anteil von Wind- und Sonnenstrom am Gesamtverbrauch wird dadurch deutlich steigen.

Was klimapolitisch begrüßenswert ist, bringt jedoch ökonomische Spannungen mit sich. Denn je mehr Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird, desto stärker wirken sich marktmechanische Effekte auf die erzielbaren Erlöse aus. Branchenanalysten und Energieökonomen warnen bereits vor einem Rückgang der Strompreise speziell für Solar- und Windkraftanlagen – mit potenziell weitreichenden Folgen für Geschäftsmodelle, Investitionsanreize und Systemstabilität.

Angebotsschub trifft auf Nachfragegrenzen

Ein zentrales Problem liegt in der Dynamik von Angebot und Nachfrage.

Der Zubau neuer Anlagen führt dazu, dass zu bestimmten Zeiten – vor allem bei starkem Wind oder hoher Sonneneinstrahlung – ein Überangebot an grünem Strom entsteht.

Da sich Elektrizität nur begrenzt speichern lässt, sinken in diesen Phasen die Großhandelspreise oft rapide – teils bis in den negativen Bereich.

Dieser sogenannte „Merit-Order-Effekt“ führt dazu, dass teurere fossile Kraftwerke aus dem Markt gedrängt werden.

Gleichzeitig aber sinken auch die durchschnittlichen Erlöse der erneuerbaren Anbieter – insbesondere dann, wenn viele Anlagen gleichzeitig Strom einspeisen, aber keine ausreichende Speicher- oder Exportinfrastruktur zur Verfügung steht.

Wirtschaftliche Herausforderung für Betreiber und Investoren

Für Betreiber bestehender Anlagen kann dieser Effekt bedeuten, dass ihre Stromerlöse unter die ursprünglich kalkulierten Erwartungen fallen. Besonders problematisch wird dies bei Anlagen, die nach dem Auslaufen staatlicher Förderungen auf eine wirtschaftliche Direktvermarktung angewiesen sind. Wer auf hohe Marktpreise gesetzt hat, muss nun mit einem strukturell niedrigeren Ertragsniveau kalkulieren.

Auch neue Investitionen geraten unter Druck. Sinkende Markterlöse wirken sich negativ auf die Kapitalrendite aus, erhöhen das Risiko von Finanzierungslücken und erschweren die Planung langfristiger Projekte. Vor allem Investoren, die auf PPA-Modelle (Power Purchase Agreements) oder Spotmarkterlöse setzen, müssen ihre Geschäftsmodelle überdenken.

Politische Ziele und Marktrealität im Spannungsfeld

Der erwartete Rückgang der Stromerlöse aus Wind und Sonne ist keine Überraschung – sondern eine logische Folge des politisch gewünschten Ausbaus. Was aus klimapolitischer Sicht ein Erfolg ist, stellt die Ökonomie der Erneuerbaren jedoch vor neue Herausforderungen. Geschäftsmodelle, Förderstrukturen und Marktmechanismen müssen weiterentwickelt werden, um ein stabiles, faires und zukunftsfähiges Energiesystem zu gewährleisten."

Die Entwicklung offenbart ein grundlegendes Spannungsverhältnis: Der Staat möchte den Anteil erneuerbarer Energien stark erhöhen, gleichzeitig aber die Förderung zurückfahren und mehr Marktmechanismen zulassen. Doch je mehr grüne Energie ins System kommt, desto weniger attraktiv ist sie in einem unregulierten Marktumfeld.

Daraus ergeben sich mehrere Zielkonflikte:

  • Wie lassen sich Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz in Einklang bringen?
  • Welche Rolle sollen staatliche Eingriffe in der Preisbildung künftig spielen?
  • Wer trägt das Risiko fallender Erlöse – der Markt oder die Allgemeinheit?

Diese Fragen werden in der politischen und regulatorischen Debatte künftig an Bedeutung gewinnen – insbesondere in Hinblick auf das Strommarktdesign und die Rolle von Flexibilitätsoptionen wie Speicher, Wasserstoff oder sektorübergreifende Kopplung.

Neue Geschäftsmodelle und technologische Antworten

Trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen eröffnen sich auch Chancen für neue Geschäftsmodelle. Anlagenbetreiber könnten verstärkt auf intelligente Steuerung, zeitabhängige Einspeisung, Direktvermarktung oder kombinierte Nutzung mit Speicherlösungen setzen. Auch der Trend zu dezentraler Eigenversorgung oder lokalem Energie-Sharing gewinnt an Attraktivität, wenn Börsenerlöse unter Druck geraten.

Zudem rücken technologische Innovationen wie Batteriespeicher, grüner Wasserstoff oder Demand-Response-Lösungen stärker in den Fokus. Sie ermöglichen es, den Wert von Strom zeitlich zu verlagern – und damit auch in Zeiten niedriger Marktpreise wirtschaftlich zu bleiben.

Fazit: Erfolg der Energiewende verlangt neue ökonomische Antworten

Der erwartete Rückgang der Stromerlöse aus Wind und Sonne ist keine Überraschung – sondern eine logische Folge des politisch gewünschten Ausbaus. Was aus klimapolitischer Sicht ein Erfolg ist, stellt die Ökonomie der Erneuerbaren jedoch vor neue Herausforderungen. Geschäftsmodelle, Förderstrukturen und Marktmechanismen müssen weiterentwickelt werden, um ein stabiles, faires und zukunftsfähiges Energiesystem zu gewährleisten.

Der Umbau des Energiemarkts ist dabei kein rein technisches Projekt – sondern auch eine Frage ökonomischer Weichenstellung. Nur wenn neue Markt- und Anreizsysteme gefunden werden, die sowohl Investitionen ermöglichen als auch Marktkräfte respektieren, kann die Energiewende langfristig auch wirtschaftlich gelingen.

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