Verluste bei ETF-Verkäufen sind nicht angenehm, aber steuerlich nicht wertlos

Verluste können genutzt werden Verlustverrechnung bei ETFs

Verluste gehören zur Geldanlage genauso wie Gewinne. Auch bei ETFs, die für ihre breite Diversifikation und langfristige Wertentwicklung bekannt sind, lassen sich Rückschläge am Kapitalmarkt nicht immer vermeiden.

Wenn Anteile mit Verlust verkauft werden, stellt sich für viele Anlegerinnen und Anleger die Frage: Kann man diesen Verlust steuerlich geltend machen – und wenn ja, wie? Die Antwort lautet: Ja, aber unter bestimmten Bedingungen. Die Regelungen zur Verlustverrechnung im Rahmen der Abgeltungsteuer sind eindeutig, zugleich aber komplex und mit Einschränkungen verbunden.

Grundsätzliches zur steuerlichen Behandlung von ETF-Verlusten

Seit Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 unterliegen alle Kapitalerträge – also Gewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren, Zinsen, Dividenden und ähnliches – einer pauschalen Besteuerung. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit geschaffen, Verluste innerhalb bestimmter Grenzen mit Gewinnen aus derselben Einkunftsart zu verrechnen.

Bei ETFs gelten Verluste aus dem Verkauf von Anteilen als Verluste aus Kapitalvermögen. Sie können steuerlich berücksichtigt werden, sofern sie ordnungsgemäß dokumentiert und innerhalb der gleichen Einkunftsart – also ebenfalls Kapitalerträgen – verrechnet werden. Eine Verrechnung mit anderen Einkunftsarten, etwa aus Vermietung, selbstständiger Arbeit oder nichtselbstständiger Tätigkeit, ist dagegen ausgeschlossen.

Innerhalb des Depots: automatische Verrechnung durch die Bank

Verkäufe von ETFs mit Verlusten werden zunächst innerhalb des Depots automatisch berücksichtigt.

Das bedeutet: Wenn im gleichen Jahr oder in Folgejahren Gewinne aus anderen Verkäufen von Wertpapieren erzielt werden, rechnet die depotführende Bank die Verluste dagegen – ohne dass Anlegerinnen oder Anleger aktiv tätig werden müssen.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich alle Transaktionen im selben Depot befinden.

Die Bank führt dabei ein sogenanntes Verlustverrechnungstopf-System. Es gibt dabei insbesondere:

  • einen Verlusttopf für Aktien (nur Aktienverkäufe)
  • einen Verlusttopf für sonstige Kapitalanlagen (z. B. ETFs, Anleihen, Fonds)

Wichtig zu wissen: Obwohl ETFs Aktien enthalten, gelten sie steuerlich nicht als Einzelaktien, sondern als Fonds.

Verluste aus ETFs werden daher im allgemeinen Kapitaltopf verbucht und nicht im speziellen Aktien-Verlusttopf – ein oft übersehener Unterschied.

Übertrag auf andere Institute: Verlustbescheinigung notwendig

Wer mehrere Depots bei unterschiedlichen Banken führt oder sein Depot wechselt, kann seine Verluste nicht automatisch zwischen den Instituten übertragen. In diesem Fall ist es notwendig, sich eine Verlustbescheinigung von der bisherigen Bank ausstellen zu lassen. Diese Bescheinigung muss bis spätestens Mitte Dezember eines Jahres beantragt werden und kann dann im Rahmen der Einkommensteuererklärung genutzt werden, um die Verluste mit Gewinnen aus anderen Depots oder Kapitalanlagen zu verrechnen.

Ohne diese Bescheinigung gehen die steuerlichen Verlustverrechnungsmöglichkeiten für andere Institute verloren – eine Fallgrube, die sich durch vorausschauende Planung vermeiden lässt.

Verlustverrechnung bei Totalverlusten: seit 2020 mit Einschränkungen

Verluste bei ETF-Verkäufen sind nicht angenehm, aber steuerlich nicht wertlos. Mit den richtigen Schritten lassen sie sich mit künftigen oder bereits erzielten Gewinnen verrechnen und können so die Steuerlast mindern. Voraussetzung dafür ist, dass sie im richtigen Topf landen, dokumentiert werden und bei Bankenwechsel nicht verloren gehen."

Ein Sonderfall sind Verluste durch den vollständigen Ausfall eines Investments – etwa durch Insolvenzen von Emittenten oder das Delisting eines ETF. Seit 2020 gelten hier neue gesetzliche Einschränkungen: Solche Totalverluste dürfen nur noch bis zu einer Obergrenze von 20.000 Euro pro Jahr steuerlich geltend gemacht werden. Diese Grenze gilt für alle „uneinbringlichen Kapitalforderungen“, darunter auch Zertifikate, Anleihen und andere strukturierte Produkte.

Für ETFs ist diese Regelung meist nur relevant, wenn ein synthetischer ETF mit Kontrahentenrisiko ausfällt oder bei außergewöhnlichen Ereignissen wie dem Zusammenbruch eines Anbieters keine Rückzahlung erfolgt. In der Praxis ist dieses Risiko bei etablierten Indexfonds jedoch gering.

Strategische Nutzung von Verlusten: kein Freifahrtschein, aber eine Option

Verlustverrechnung kann bei der Optimierung der Steuerlast helfen, sollte aber nicht der Hauptantrieb für Anlageentscheidungen sein. Ein bewusster Verkauf von ETF-Anteilen mit Verlusten, um diese mit Gewinnen aus anderen Anlagen zu verrechnen – das sogenannte Tax-Loss Harvesting – ist grundsätzlich erlaubt, erfordert aber Disziplin und Dokumentation.

Zu beachten ist insbesondere: Wer ETF-Anteile verkauft, um Verluste zu realisieren, und sie kurz darauf wieder zurückkauft, riskiert, dass das Finanzamt von einem Gestaltungsmissbrauch ausgeht. Eine gewisse Haltefrist zwischen Verkauf und Rückkauf – etwa einige Wochen – kann hier helfen, rechtliche Grauzonen zu vermeiden.

Fazit: Verluste können genutzt werden – wenn man die Regeln kennt

Verluste bei ETF-Verkäufen sind nicht angenehm, aber steuerlich nicht wertlos. Mit den richtigen Schritten lassen sie sich mit künftigen oder bereits erzielten Gewinnen verrechnen und können so die Steuerlast mindern. Voraussetzung dafür ist, dass sie im richtigen Topf landen, dokumentiert werden und bei Bankenwechsel nicht verloren gehen.

Eine kluge Anlagestrategie berücksichtigt auch steuerliche Aspekte – nicht um kurzfristige Vorteile zu erzielen, sondern um langfristig die Nettorendite zu verbessern. Dabei gilt wie immer: Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten dürfen genutzt, sollten aber nicht zum Selbstzweck werden. Der Fokus bleibt auf einem robusten Portfolio – Verluste eingeschlossen.

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