Finanzlexikon Die Geschichte des Kredits
Warum Vertrauen, Schuld und Verbindlichkeit älter sind als Geld – und bis heute die Basis des Finanzsystems bilden.
Der Begriff „Kredit“ leitet sich vom lateinischen credere ab – glauben, vertrauen. Damit wird bereits im Wort selbst klar: Die Idee des Kredits ist älter als jedes moderne Bankensystem. Schon im Tauschhandel gab es Formen der Vorleistung, die auf Vertrauen basierten. Der Bauer lieferte Getreide mit dem Versprechen, später dafür Wolle oder Werkzeuge zu erhalten. Später wurden Schuldscheine eingeführt, die diese Verpflichtungen verschriftlichten – teils sogar mit juristischer Bindung.
Ob in Mesopotamien, im antiken Griechenland oder bei den römischen Kreditgebern auf dem Forum Romanum: Kredit war ein gesellschaftliches Fundament – nicht nur ein wirtschaftliches Werkzeug.
Mittelalter und Handel: Kredit wird mobil
Mit dem Aufblühen des Handels im Mittelalter wuchs der Bedarf an flexiblen Zahlungsformen. Denn Händler, die weite Strecken überbrücken mussten, konnten nicht immer bar bezahlen. So entstanden Wechselbriefe – eine frühe, schriftlich festgehaltene Form des Kredits.
Diese „Urkunden“ wurden nicht nur als Zahlungsversprechen, sondern bald auch als handelbare Wertpapiere verwendet. Die berühmten italienischen Bankiersfamilien – etwa die Medici – trugen entscheidend zur Professionalisierung der Kreditwirtschaft bei.
Auch der Zins – lange Zeit moralisch und religiös umstritten – setzte sich im praktischen Handel mehr und mehr durch, insbesondere dort, wo unternehmerisches Risiko mit im Spiel war.
Neuzeit: Kredit wird politisch – und systemrelevant
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Mit dem Aufstieg der Nationalstaaten im 17. und 18. Jahrhundert wurde Kredit zur Staatsangelegenheit. Regierungen begannen, bei Bürgern und Banken Staatsanleihen aufzunehmen, um Kriege, Infrastruktur oder Kolonialprojekte zu finanzieren.
Kredit war nun nicht mehr nur privates oder kommerzielles Geschäft – sondern Makroinstrument. Die Erfindung moderner Zentralbanken – etwa der Bank of England (1694) – sicherte diese Kreditbeziehungen institutionell ab.
Zugleich wuchs das Bedürfnis, Risiken besser zu bewerten: Die Grundlage für systematische Kreditprüfung war gelegt.
Industrialisierung und Massenkredite
Mit dem 19. Jahrhundert entstand eine neue Dimension: die massenhafte Kreditvergabe an Unternehmen und Privatpersonen. Banken wuchsen, Kreditgenossenschaften wurden gegründet, Sparkassen verbreiteten sich.
Das Produktivitätsversprechen der Industrialisierung verlangte nach Kapital – und der Kredit war das ideale Werkzeug, um Investitionen vorzufinanzieren.
Zugleich entwickelte sich die Idee des Ratenkaufs: Verbraucher konnten erstmals Güter erwerben, die sie sich aktuell nicht leisten konnten – etwa Möbel, Maschinen, Immobilien.
Kredit wurde zur Brücke zwischen Gegenwart und Zukunft – mit großen Chancen, aber auch zunehmendem Risiko.
20. Jahrhundert: Professionalisierung und Krisen
Kredit ist Ausdruck von Vertrauen, Absicherung und gegenseitiger Abhängigkeit – und damit ein soziales wie ökonomisches Konzept. Von den Schuldscheinen der Antike bis zu modernen Ratingsystemen zieht sich ein roter Faden: Die Suche nach Sicherheit im Umgang mit Zukunft."
Im 20. Jahrhundert kam es zu einer umfassenden Systematisierung der Kreditvergabe. Banken entwickelten interne Bewertungssysteme, Ratingagenturen wurden etabliert, zentrale Datenbanken zur Bonitätspflege (z. B. Schufa) eingeführt.
Kredit wurde berechenbarer – aber auch massenhaft riskant. In Boomphasen dehnte sich das Kreditvolumen häufig zu stark aus, in Rezessionen drohten Schuldenblasen zu platzen.
Die Weltwirtschaftskrise von 1929 und die Finanzkrise 2008 haben gezeigt, dass falsche Anreizsysteme im Kreditwesen enorme gesamtwirtschaftliche Schäden verursachen können.
Heute: Bonitätsprüfung trifft auf Digitalisierung
Heute ist die Kreditvergabe hochreguliert, standardisiert – und dennoch im Wandel. Künstliche Intelligenz, automatisierte Scorings und Open-Banking-Schnittstellen ermöglichen eine schnellere, oft datengestützte Bewertung von Kreditrisiken.
Gleichzeitig nehmen alternative Modelle zu:
- Peer-to-Peer-Kredite,
- digitale Sofortkredite,
- Embedded Finance in Online-Shops.
Doch auch in dieser hoch technisierten Welt bleibt eines zentral: Der Glaube an die Rückzahlungskraft des Kreditnehmers – und die Fähigkeit, Risiken zu erkennen und zu steuern.
Fazit: Kredit ist mehr als Kapital – er ist ein kulturelles Prinzip
Kredit ist Ausdruck von Vertrauen, Absicherung und gegenseitiger Abhängigkeit – und damit ein soziales wie ökonomisches Konzept. Von den Schuldscheinen der Antike bis zu modernen Ratingsystemen zieht sich ein roter Faden: Die Suche nach Sicherheit im Umgang mit Zukunft.
Für Anleger, Unternehmen und Staaten gilt daher bis heute: Kredit ist nicht nur Mittel zum Zweck – er ist ein Spiegel von Verantwortung, Verlässlichkeit und wirtschaftlicher Kultur.

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