Diskrepanz von Angebot und Nachfrage Die stabile Blase
Sichere Geldanlagen sind überall auf der Welt gefragt - nicht nur bei uns. Der "Hunger" nach Sicherheit führt zu merkwürdigen Entwicklungen auf den Anleihemärkten, die klassischem Lehrbuchwissen widersprechen. Manche sehen darin sogar eine "stabile Blase".
Das Phänomen zeigt sich derzeit besonders augenfällig auf dem US-Anleihemarkt. In den Vereinigten Staaten hat die Fed ihr Anleiheaufkaufprogramm längst eingestellt, seit Dezember 2015 sind die Leitzinsen mehrfach angehoben worden. Die gigantischen Anleihebestände in der Fed-Bilanz sollen allmählich abgebaut werden. Nach herkömmlichen Vorstellungen müssten diese Maßnahmen eigentlich zu sinkenden Kursen und damit auch zu steigenden Renditen am US-Anleihemarkt führen.
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Suche nach Sicheren Investments schafft Nachfrage
Doch sie sind an den Anleiherenditen bislang weitgehend spurlos vorübergegangen. Zehnjährige US-Anleihen rentieren heute mit 2,20 Prozent genauso wie im Dezember 2015, als die Trendwende in der Fed-Geldpolitik begann. Deren Effekt scheint also gleich Null zu sein. Es ist nicht das erste Mal, dass die langfristigen Renditen ein bemerkenswertes Beharrungsvermögen zeigen. Als die Fed 2004 die Leitzinsen kräftig nach oben schraubte, trat ebenfalls kaum eine Wirkung ein. Wie lässt sich das erklären?
Damals führte man die "Unbeweglichkeit" der Renditen auf eine Sparschwemme aus China zurück. Chinesen legten auf der Suche nach sicheren Investments, die sie im eigenen Land nicht fanden, ihr Geld bevorzugt in US-Anleihen an. Dabei spielte die Rendite als Anlagekriterium offenbar eine eher untergeordnete Rolle, entscheidend war das Merkmal Sicherheit. Der Nachfragedruck nach US-Anleihen blieb daher hoch, auch wenn die Papiere die Zinsentwicklung nicht mitvollzogen.
Man geht davon aus, dass mehr als die Hälfte der amerikanischen Staatspapiere von ausländischen Investoren gekauft werden."
Folge einer gespaltenen Globalisierung
Dieses Verhalten könnte auch heute für die stabil niedrigen Renditen verantwortlich sein. Längst sind es dabei nicht mehr nur Chinesen, die den US-Anleihemarkt als "sicheren Hafen" suchen. Auch aus anderen Schwellenländern strömen große Summen in die Vereinigten Staaten. Man geht davon aus, dass mehr als die Hälfte der amerikanischen Staatspapiere von ausländischen Investoren gekauft werden. Ökonomen machen dafür eine "gespaltene Globalisierung" verantwortlich: Viele Schwellenländer haben in den letzten Jahrzehnten enorme Wohlstandsgewinne erzielt, ihre Finanzmärkte hinken dieser Entwicklung aber hinterher. Sie sind durch hohe Volatilität und große Risiken gekennzeichnet. Das erklärt den Kapitalabfluss in sicherere Märkte und die "stabile Blase".
Was für die US-Anleihen gilt, wird man getrost auch auf deutsche Bundesanleihen übertragen können, die ebenfalls als sicher bewertet werden. Hier drückt nicht nur die Suche nach Sicherheit die Renditen nach unten, sondern auch die fortgesetzte Niedrigzinspolitik der EZB einschließlich Anleihekäufen. Aktuell rentieren zehnjährige Bundesanleihen knapp unter 0,3 Prozent. Die Zeichen, dass es nach oben geht, stehen eher schlecht.