Top-Ökonom Snower Die westliche Welt gerät aus den Fugen

Dennis Snower ist scheidender Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Im Februar gibt er dessen Leitung ab, Ruhestand ist für ihn aber noch keineswegs angesagt. In verschiedenen wissenschaftlichen Funktionen wird er weiter tätig sein. Der Zeitung WELT hat er jetzt in einem Interview seine Sicht der momentanen Lage des Westens vermittelt.

Dabei sieht er eklatantes Politikversagen als Ursache, dass es nicht zum Besten stehe. Die Politik habe die Probleme, die die Menschen umtreiben, nicht verstanden und folglich falsch bekämpft. Dass dies Unzufriedenheit mit massiven Protesten (siehe Gelbwesten in Frankreich) und dem Erstarken von Populisten (siehe Brexit-Entscheidung, Trump) bewirke, sei nicht weiter verwunderlich, sondern nur allzu menschlich. 

Politik einseitig auf wirtschaftliche Betrachtung fokussiert

Die Politik unterliege sehr häufig dem Irrtum, Unzufriedenheit und Missmut alleine auf wirtschaftliche Ursachen zurückzuführen. Man versuche dann durch finanzielle Wohltaten und Umverteilung gegenzusteuern. Materieller Wohlstand sei aber nur ein Thema von Menschen, denen es wirtschaftlich schlecht gehe. Viele würden sich an anderen Dingen stoßen. Hier sei vor allem das Empfinden, das eigene Leben nicht mehr selbst gestalten zu können, Quelle der Unzufriedenheit. Ein solches Ohnmachts-Gefühl, das mit der Globalisierung und Digitalisierung einhergehe, lasse sich nicht einfach mit zusätzlichem Geld bekämpfen. 

Von daher seien auch die aktuellen Diskussionen um eine grundlegende Änderung von Hartz IV oder ein bedingungsloses Grundeinkommen dem Wesen nach verfehlt. Dagegen rede niemand darüber, wie man Menschen souveräner und eigenständiger machen könne, was eigentlich das Gebot der Stunde wäre. Snower rechnet mit großen sozialen Konflikten im Zusammenhang mit der digitalen Revolution in der Arbeitswelt. Das Grundeinkommen solle hier nur ruhigstellen, löse aber nichts. 

Benötigt würde mehr soziale Integration." 

Dringend nötig - soziale Aspekte 

Bei der einseitigen Fokussierung der Politik auf wirtschaftliches Wachstum sei diese lange vernachlässigt worden. Der soziale Zusammenhalt und ein Gemeinschaftsgefühl seien aber essentiell für eine funktionierende Gesellschaft und die Legitimation der Politik. Ein Patentrezept für mehr soziale Integration hat allerdings auch Snower nicht. 

Er sieht aber in der Dienstpflicht als Ersatz für die weggefallene Wehrpflicht einen möglichen Beitrag dazu. Sie könne das Gefühl vermitteln, dass man als Bürger nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten habe und etwas für die Gemeinschaft beitragen müsse.

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