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Finanzlexikon E-Krona vs. Digitaler Euro

Die Debatte um digitale Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currencies – CBDCs) hat in den letzten Jahren rasant an Fahrt aufgenommen. In einer Welt, in der digitale Zahlungsmittel den Alltag dominieren, Bargeld an Bedeutung verliert und neue technologische Akteure die Finanzmärkte aufmischen, suchen Staaten und Zentralbanken nach Antworten, um Souveränität, Stabilität und Zugang zum Geld auch in Zukunft zu sichern.

Besonders im Fokus stehen dabei zwei europäische Modelle: die schwedische E-Krona, die bereits seit mehreren Jahren getestet wird, und der digitale Euro, ein Projekt der Europäischen Zentralbank (EZB), das sich aktuell in einer vorbereitenden Phase befindet.

Beide Modelle haben viel gemeinsam – sie verfolgen das Ziel, das staatliche Geldsystem digital weiterzuentwickeln. Und doch unterscheiden sie sich grundlegend in Motivation, technischer Ausgestaltung und politischer Einbettung. Ein genauer Vergleich der beiden Konzepte offenbart, wie unterschiedlich der Weg zu einem ähnlichen Ziel verlaufen kann.


Ausgangslage: Zwei Währungsräume, zwei Realitäten

Schweden gehört zu den am stärksten digitalisierten Gesellschaften weltweit. Digitale Zahlungen sind allgegenwärtig, Bargeldnutzung ist zur Ausnahme geworden. Selbst kleinere Händler, Taxis oder Marktstände akzeptieren häufig keine Scheine und Münzen mehr. Die physische Krone spielt im Alltag kaum noch eine Rolle.

Diese Entwicklung hat die Schwedische Reichsbank dazu veranlasst, frühzeitig eine digitale Ergänzung zum Bargeld zu entwickeln, um den Zugang zu Zentralbankgeld für alle Bürger auch in einer bargeldarmen Zukunft zu garantieren. Die E-Krona ist somit eine direkte Antwort auf den strukturellen Rückzug des Bargelds aus dem Wirtschaftskreislauf.

In der Eurozone stellt sich die Lage anders dar. Der Euro ist eine Gemeinschaftswährung für 20 Länder mit unterschiedlicher technischer Infrastruktur, bargeldbezogenem Verhalten und politischen Vorstellungen. Während in Finnland oder den Niederlanden digitale Zahlungen dominieren, bleibt in Ländern wie Deutschland, Österreich oder Italien Bargeld fest im Alltag verankert.

Der digitale Euro ist somit nicht primär eine Reaktion auf die Abschaffung des Bargelds, sondern eher eine strategische Weiterentwicklung des Euro-Raums im digitalen Zeitalter – mit dem Ziel, die Unabhängigkeit von außereuropäischen Zahlungsdienstleistern zu sichern, Resilienz zu stärken und Innovation zu fördern.


Technische Gestaltung: Von Pilotversuch zu politischem Großprojekt

Die E-Krona basiert technologisch auf einer Distributed-Ledger-Struktur, die der Blockchain ähnelt, jedoch unter staatlicher Kontrolle steht. Sie wird in einer zentral verwalteten, aber technisch dezentral abgebildeten Plattform verwaltet, was ihre Resilienz erhöht und technische Ausfälle begrenzen soll.

Die Reichsbank testet die E-Krona seit 2020 in realitätsnahen Anwendungen – etwa im Einzelhandel, bei Überweisungen und im Kontakt mit Behörden. Dabei liegt der Fokus auf einfacher Nutzung, Offline-Fähigkeit und Privatsphäre bei Kleinbeträgen.

Der digitale Euro hingegen befindet sich derzeit in einer intensiven Planungsphase. Die EZB hat Ende 2023 den Übergang in die „Vorbereitungsphase“ verkündet. Ziel ist es, bis 2026 ein rechtskonformes, funktionsfähiges Modell vorzulegen. Die technische Plattform wird voraussichtlich auf einer Kombination aus zentralen und dezentralen Komponenten beruhen – mit starker Einbindung des europäischen Bankensektors.

Im Unterschied zur E-Krona ist der digitale Euro ein hochgradig politisch begleitetes Projekt, das auf Konsens zwischen allen Mitgliedstaaten angewiesen ist. Daher ist der Entwicklungsprozess langsamer, komplexer und stärker reguliert.


Zweck und Positionierung im Geldsystem

Die E-Krona und der digitale Euro stehen exemplarisch für zwei unterschiedliche Entwicklungslogiken digitaler Zentralbankwährungen. Schweden reagiert auf ein faktisch bereits eingetretenes Szenario – den Rückzug des Bargelds – mit einem pragmatisch-technischen Instrument. Der digitale Euro ist dagegen eine strategische Antwort auf eine potenzielle Zukunft, in der digitale Souveränität, wirtschaftliche Resilienz und europäische Identität stärker verteidigt werden müssen."

Die E-Krona versteht sich als digitales Bargeld – also als Ergänzung zur bestehenden physischen Krone, die wie diese direkt von der Zentralbank stammt und keinen Zins abwirft. Sie soll leicht zugänglich, kostenlos nutzbar und anonym bis zu einer bestimmten Transaktionshöhe sein. Ihre Zielgruppe sind vor allem Bürger ohne Bankkonto oder mit eingeschränktem Zugang zu digitalen Finanzsystemen.

Der digitale Euro hingegen wird als elektronisches Zentralbankgeld für den Alltag konzipiert – mit direkter Einbindung in bestehende Bank- und Zahlungsdienstleisterstrukturen. Zwar soll auch der digitale Euro kostenlos, leicht nutzbar und breit zugänglich sein, doch anders als die E-Krona wird er nicht direkt von der EZB an Endkunden ausgegeben, sondern über Banken und Zahlungsdienstleister vermittelt.

Wichtig ist der Unterschied in der Rolle der Geschäftsbanken: Während Schweden offen mit der Möglichkeit experimentiert, dass Bürger digitale Zentralbankkonten bei der Riksbank führen, will die EZB eine Verdrängung privater Banken verhindern – etwa durch Begrenzungen für Guthaben oder bewusste Ausschlusskriterien für Zinssätze.


Datenschutz und Überwachung: Vertrauen als politische Währung

In beiden Projekten ist Datenschutz ein zentrales Thema. Schweden setzt bei der E-Krona auf das Modell der „kontrollierten Anonymität“: Kleinbeträge sollen ohne Identifikation zahlbar sein, größere Summen hingegen unterliegen den üblichen Vorschriften zu Geldwäsche und Betrugsvermeidung.

Beim digitalen Euro verfolgt die EZB einen ähnlichen Ansatz, steht jedoch stärker im Fokus öffentlicher Debatten. Insbesondere in Deutschland ist die Angst vor einer „Überwachung durch digitalen Euro“ weit verbreitet. Die EZB betont daher regelmäßig, dass Transaktionsdaten weder gespeichert noch ausgewertet werden sollen und dass Nutzer ein hohes Maß an Privatsphäre behalten werden – auch bei digitalen Zahlungen.

Die technische Umsetzung solcher Datenschutzkonzepte ist komplex – und setzt voraus, dass sowohl rechtliche als auch technische Rahmenbedingungen klar definiert und nachvollziehbar gestaltet sind. In der Eurozone, mit ihren unterschiedlichen nationalen Rechtssystemen, ist dies deutlich aufwendiger als im homogenen Schweden.


Fazit: Zwei Wege, eine Richtung – aber mit unterschiedlicher Dynamik

Die E-Krona und der digitale Euro stehen exemplarisch für zwei unterschiedliche Entwicklungslogiken digitaler Zentralbankwährungen. Schweden reagiert auf ein faktisch bereits eingetretenes Szenario – den Rückzug des Bargelds – mit einem pragmatisch-technischen Instrument. Der digitale Euro ist dagegen eine strategische Antwort auf eine potenzielle Zukunft, in der digitale Souveränität, wirtschaftliche Resilienz und europäische Identität stärker verteidigt werden müssen.

Die E-Krona ist näher an der Umsetzung, aber begrenzt auf ein Land. Der digitale Euro ist konzeptionell ambitionierter, aber politisch komplexer. Beide Systeme versuchen, staatliches Zentralbankgeld in eine digitale Realität zu überführen, ohne dabei die Errungenschaften des bisherigen Geldsystems – Sicherheit, Verlässlichkeit, demokratische Kontrolle – aufzugeben.

Für die Zukunft der globalen Geldordnung könnte ausgerechnet Europa von den Erfahrungen der kleinen schwedischen Schwester profitieren. Und für Schweden gilt: Die E-Krona ist nicht nur technologisch ein Fortschritt, sondern ein Symbol für einen Staat, der sich anpasst – ohne zu entmündigen.

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