In der europäischen Fintech-Landschaft bahnt sich eine strategische Konsolidierung mit Signalwirkung an

Finanz-Software-Riesen gehen zusammen Fincite und Harvest

In der europäischen Fintech-Landschaft bahnt sich eine strategische Konsolidierung mit Signalwirkung an: Das deutsche Unternehmen Fincite und das französische Softwarehaus Harvest geben ihre Fusion bekannt. Beide zählen seit Jahren zu den etablierten Namen im Bereich digitaler Finanzlösungen, vor allem in der Vermögensverwaltung, dem Portfoliomanagement sowie in der Kundenberatung von Banken, Versicherungen und unabhängigen Finanzdienstleistern.

Mit dem nun angekündigten Zusammenschluss setzen die beiden Unternehmen ein deutliches Zeichen – nicht nur in Richtung Wettbewerber, sondern auch im Hinblick auf ihre ambitionierten Wachstumsziele. Ziel der Partnerschaft ist es, innerhalb von vier Jahren den gemeinsamen Umsatz zu verdoppeln. Was auf den ersten Blick nach einem aggressiven Plan klingt, ist für die beiden CEOs – Dr. Ralf Heim von Fincite und Thierry Luquet von Harvest – ein realistischer Meilenstein. Grundlage dafür sei nicht nur die technologische Komplementarität der beiden Häuser, sondern auch eine gemeinsame Vision für eine europäische Plattform, die sich gegen amerikanische und asiatische Marktteilnehmer behaupten kann.

Zwei Pioniere – ein Marktverständnis

Fincite, mit Sitz in Frankfurt, hat sich seit seiner Gründung als einer der technologischen Vordenker im deutschsprachigen Fintech-Sektor etabliert.

Das Unternehmen bietet modulare Softwarelösungen an, mit denen Banken und Vermögensverwalter Prozesse digitalisieren und automatisieren können – von der Finanzplanung über die Portfoliooptimierung bis hin zur ganzheitlichen Kundenberatung.

Zu den Kunden zählen große Häuser wie die Deutsche Bank, ABN AMRO oder die Sparkassengruppe.

Harvest, beheimatet in Paris, bringt eine ähnlich starke Marktstellung im französischen Sprachraum mit. Das Unternehmen ist insbesondere für seine Lösungen im Bereich Wealth Management bekannt – darunter Beratungstools, regulatorisch geprüfte Produktempfehlungs-Engines und Backoffice-Systeme für die Verwaltung großer Kundenportfolios.

Beide Unternehmen verbindet ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse der Finanzindustrie in Europa.

Sie richten ihre Produkte konsequent an den regulatorischen Rahmenbedingungen der EU und an den spezifischen Anforderungen verschiedener Länder aus – ein Aspekt, der für US-amerikanische Softwareanbieter oft ein Hindernis darstellt.

Europa als Antwort auf globale Tech-Giganten

Der Zusammenschluss ist mehr als eine bloße Synergie zweier Softwareanbieter. Er ist Ausdruck eines wachsenden Selbstbewusstseins in der europäischen Fintech-Szene. In den vergangenen Jahren wurden digitale Infrastrukturen im Finanzbereich häufig von US-amerikanischen Anbietern dominiert – etwa Salesforce im Kundenmanagement, BlackRock Aladdin im Investment-Controlling oder Bloomberg in der Finanzanalyse. Diese marktbeherrschende Stellung stößt zunehmend auf Kritik, insbesondere im Hinblick auf Datensouveränität, europäische Datenschutzstandards und die technologische Abhängigkeit von außereuropäischen Akteuren.

Mit ihrer Fusion wollen Fincite und Harvest bewusst ein Gegengewicht bilden. Das gemeinsame Ziel: Eine unabhängige, europäische Finanzsoftwareplattform, die sowohl regulatorisch als auch technologisch den spezifischen Anforderungen des Kontinents gerecht wird – und die dabei auf eine tiefe Marktverankerung in Deutschland, Frankreich, Luxemburg, der Schweiz und weiteren Ländern zählen kann.

Technologische Integration als Schlüsselherausforderung

Ein Zusammenschluss in der Softwarebranche bringt nicht nur ökonomische und kulturelle Herausforderungen mit sich, sondern vor allem technologische. Beide Unternehmen verfügen über komplexe Produktportfolios, die über Jahre hinweg eigenständig gewachsen sind. Die Integration dieser Systeme in eine gemeinsame, harmonisierte Plattform wird ein Mammutprojekt – aber auch ein strategischer Hebel für künftiges Wachstum.

Laut internen Aussagen soll dieser Prozess in mehreren Phasen erfolgen. Ziel sei keine kurzfristige Produktvereinheitlichung, sondern eine schrittweise technologische Konvergenz, die den Kunden beider Unternehmen eine reibungslose Migration ermögliche. Im Mittelpunkt stehen dabei drei Kernbereiche:

  • Interoperabilität der Systeme, um kombinierte Lösungen anbieten zu können.
  • Skalierbarkeit der Plattform, um neue Märkte schneller erschließen zu können.
  • Zentralisierung von Datenanalyse und KI-Funktionalitäten, insbesondere zur Automatisierung von Beratung und Reporting.

Beide Unternehmen sehen in der Künstlichen Intelligenz einen zentralen Hebel, um den Beratungsprozess für Banken und Finanzdienstleister effizienter und gleichzeitig personalisierter zu gestalten.

Wachstum durch Expansion und Innovation

Mit ihrer Fusion setzen Fincite und Harvest ein Zeichen in einem zunehmend globalisierten, aber auch fragmentierten Fintech-Markt. Die Entscheidung, gemeinsam zu wachsen, basiert nicht nur auf ökonomischer Logik, sondern auf einem Bekenntnis zu europäischer Technologiekompetenz. Ob das ambitionierte Umsatzziel erreicht wird, hängt von vielen Faktoren ab – von technologischer Exzellenz über kulturelle Reife bis hin zur Reaktion der Kunden."

Die Verdopplung des Umsatzes innerhalb von vier Jahren soll auf mehreren Säulen beruhen. Neben der besseren Ausschöpfung der Bestandskunden durch kombinierte Produkte setzen Fincite und Harvest auf eine ambitionierte Expansion in neue Märkte. Neben dem bereits gut erschlossenen DACH- und französischen Raum stehen Südeuropa, Skandinavien sowie einzelne osteuropäische Länder auf dem Fahrplan.

Darüber hinaus wird ein Teil des Wachstums aus Produktinnovationen gespeist, die im neuen Verbund beschleunigt entwickelt werden sollen. So ist etwa die Einführung einer gemeinsamen Cloud-Plattform geplant, über die Kunden alle Services modular beziehen können – ein Schritt, der nicht nur Flexibilität, sondern auch Preistransparenz erhöht. Gleichzeitig wollen die Unternehmen in Bereichen wie ESG-Reporting, Taxonomie-konformer Beratung und digitalem Onboarding neue Standards setzen.

Kulturelle Integration als Erfolgsfaktor

Neben der Technologieintegration steht ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor im Raum: die kulturelle Vereinigung zweier gewachsener Organisationen mit je eigener Identität. Während Fincite eher als technologiegetriebenes Start-up aus dem Fintech-Umfeld auftritt, verkörpert Harvest ein traditionsreicheres Selbstverständnis mit starker Verankerung im institutionellen Kundensegment.

Beide Seiten betonen jedoch, dass genau diese Unterschiedlichkeit ein Potenzial darstellt – vorausgesetzt, es gelingt, die jeweiligen Stärken zu erhalten und in eine neue gemeinsame Unternehmenskultur zu überführen. Dazu sind gemeinsame Führungsteams, transparente Entscheidungsstrukturen und eine klare interne Kommunikation geplant.

Fazit: Ein Bündnis mit europäischem Anspruch

Mit ihrer Fusion setzen Fincite und Harvest ein Zeichen in einem zunehmend globalisierten, aber auch fragmentierten Fintech-Markt. Die Entscheidung, gemeinsam zu wachsen, basiert nicht nur auf ökonomischer Logik, sondern auf einem Bekenntnis zu europäischer Technologiekompetenz. Ob das ambitionierte Umsatzziel erreicht wird, hängt von vielen Faktoren ab – von technologischer Exzellenz über kulturelle Reife bis hin zur Reaktion der Kunden.

Klar ist jedoch schon jetzt: Mit dieser Allianz ist ein neues Schwergewicht in der europäischen Finanzsoftwarewelt entstanden – eines, das nicht von Übernahmefantasien, sondern von Gestaltungswillen geprägt ist.

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