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Finanzlexikon Kalte Progression, Steuerproblem

Die kalte Progression ist ein wirtschaftliches und steuerpolitisches Phänomen, das Arbeitnehmer und Steuerzahler betrifft, ohne dass es auf den ersten Blick erkennbar ist.

Die kalte Progression entsteht durch das Zusammenspiel von Inflation und progressiver Einkommensteuer und führt dazu, dass Lohnerhöhungen nicht vollständig beim Bürger ankommen, sondern zu einem höheren Steueraufkommen für den Staat führen. Über die Jahre kann dies erhebliche Auswirkungen auf die Kaufkraft und die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes haben.


1. Definition der kalten Progression

Die kalte Progression beschreibt den Effekt, dass Steuerzahler aufgrund steigender Einkommen in höhere Steuerklassen rutschen, obwohl ihre reale Kaufkraft aufgrund der Inflation nicht steigt.

Da viele Staaten ein progressives Einkommensteuersystem verwenden – das bedeutet, dass der Steuersatz mit steigendem Einkommen zunimmt – kann eine nominelle Lohnerhöhung dazu führen, dass mehr Steuern gezahlt werden müssen, ohne dass die Betroffenen tatsächlich mehr konsumieren oder sparen können.

Beispiel:

  • Ein Arbeitnehmer erhält eine Gehaltserhöhung von 3 %, doch gleichzeitig beträgt die Inflation ebenfalls 3 %.
  • Da sein Einkommen gestiegen ist, wird ein größerer Teil seines Gehalts mit einem höheren Steuersatz belastet.
  • Obwohl sein reales Einkommen – also sein tatsächlicher Wohlstand – gleich geblieben ist, zahlt er mehr Steuern und hat netto weniger zur Verfügung.

2. Wie entsteht die kalte Progression?

Die kalte Progression ist eine Folge mehrerer Faktoren:

a) Progressives Steuersystem

Viele Länder verwenden ein progressives Steuersystem, bei dem höhere Einkommen überproportional besteuert werden. Dadurch steigt die Steuerlast, sobald das Einkommen wächst – unabhängig davon, ob die Kaufkraft ebenfalls steigt oder nicht.

b) Inflation

Wenn Preise steigen, führt dies dazu, dass Arbeitnehmer höhere Löhne fordern. Allerdings bedeutet ein höheres Einkommen nicht automatisch mehr Wohlstand, wenn gleichzeitig die Lebenshaltungskosten steigen. Ohne Anpassungen der Steuersätze kann es passieren, dass der Staat einen immer größeren Anteil des Einkommens erhält.

c) Steuerstufen ohne automatische Anpassung

In vielen Ländern werden die Steuerstufen nicht regelmäßig an die Inflation angepasst. Das bedeutet, dass Einkommen, die früher in einer niedrigeren Steuerklasse lagen, nach einer nominalen Lohnerhöhung in eine höhere Klasse rutschen, obwohl sich die Kaufkraft der Arbeitnehmer nicht verbessert hat.


3. Auswirkungen der kalten Progression

Die kalte Progression hat weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen. Sie betrifft Arbeitnehmer, Unternehmen und den Staat gleichermaßen.

a) Kaufkraftverlust der Arbeitnehmer

Da höhere Löhne nicht vollständig beim Arbeitnehmer ankommen, bleibt die reale Kaufkraft hinter den Erwartungen zurück. Dies kann zu Unzufriedenheit in der Bevölkerung führen und die Konsumnachfrage dämpfen.

b) Höhere Steuerbelastung ohne politische Entscheidung

Ein besonders problematischer Aspekt der kalten Progression ist, dass sie eine versteckte Steuererhöhung darstellt. Der Staat nimmt mehr Steuern ein, ohne dass eine bewusste politische Entscheidung für eine Steuererhöhung getroffen wurde. Dies geschieht automatisch durch das Zusammenspiel von Inflation und progressivem Steuersystem.

c) Verzerrung der Lohnverhandlungen

Arbeitnehmerverbände und Gewerkschaften müssen bei Tarifverhandlungen nicht nur die Inflation ausgleichen, sondern auch die Steuerprogression berücksichtigen. Das erschwert realistische Lohnforderungen und kann zu überzogenen oder unzureichenden Forderungen führen.

d) Auswirkungen auf Unternehmen

Höhere Steuerbelastungen für Arbeitnehmer können die Motivation senken und zu höheren Lohnforderungen führen. Unternehmen müssen diese Kosten tragen, was ihre Wettbewerbsfähigkeit schwächen kann.

e) Verzerrte Spar- und Investitionsentscheidungen

Wenn Arbeitnehmer weniger netto übrig haben, beeinflusst dies auch ihre Spar- und Investitionsentscheidungen. Weniger verfügbares Einkommen bedeutet oft weniger private Altersvorsorge und geringere Investitionen in Vermögensaufbau.


4. Maßnahmen zur Bekämpfung der kalten Progression

Die kalte Progression bleibt eine Herausforderung für Steuerpolitik und Wirtschaft. Eine kontinuierliche Anpassung der Steuerstufen und Freibeträge ist essenziell, um faire Steuerlasten sicherzustellen und Wohlstandsverluste zu verhindern. Länder, die das Problem ignorieren, riskieren eine schleichende Steuererhöhung mit negativen Folgen für ihre Bürger und die Wirtschaft insgesamt."

Da die kalte Progression langfristig zu Wohlstandsverlusten führt, haben verschiedene Staaten Maßnahmen ergriffen, um ihre Auswirkungen abzumildern oder zu eliminieren.

a) Automatische Anpassung der Steuerstufen (Indexierung)

Einige Länder haben die Einkommensteuerstufen an die Inflation gekoppelt, sodass sie regelmäßig angepasst werden. Dadurch wird verhindert, dass Arbeitnehmer durch Lohnerhöhungen in höhere Steuerklassen rutschen, ohne dass ihre Kaufkraft tatsächlich steigt.

b) Steuerreformen und Tarifanpassungen

Regierungen können gezielt Steuersenkungen oder Änderungen an der Steuerprogression beschließen, um die kalte Progression zu reduzieren. Ein Beispiel ist die Erhöhung der Freibeträge oder die Senkung der unteren Steuersätze.

c) Erhöhung der Freibeträge und Pauschalen

Durch eine regelmäßige Erhöhung der steuerlichen Freibeträge (z. B. Grundfreibetrag oder Werbungskostenpauschale) kann die Steuerbelastung für Arbeitnehmer gesenkt werden.

d) Reduzierung der Progression durch lineare Steuersysteme

Einige Ökonomen fordern eine Abflachung der Steuerprogression oder ein einheitliches Steuersystem mit einem proportionalen Steuersatz („Flat Tax“), um die Effekte der kalten Progression zu minimieren.


5. Beispiele aus verschiedenen Ländern

Deutschland

Deutschland hat in den letzten Jahren Maßnahmen gegen die kalte Progression ergriffen. So wurden der Grundfreibetrag und die Einkommensteuerstufen mehrfach angepasst, um inflationsbedingte Steuererhöhungen abzumildern. Dennoch bleibt das Problem bestehen, da nicht alle Anpassungen die Inflation vollständig ausgleichen.

Österreich

Österreich hat 2016 eine Steuerreform durchgeführt, um die kalte Progression zu bekämpfen. Dabei wurden Steuerstufen neu definiert und Freibeträge erhöht. Seit 2023 erfolgt eine automatische Anpassung der Steuerstufen an die Inflation.

Schweiz

In der Schweiz gibt es ebenfalls eine Indexierung der Steuerstufen, sodass die kalte Progression weitgehend vermieden wird. Die Steuerbehörden passen regelmäßig die Tarife an die Teuerung an.

USA

Die USA haben ein progressives Steuersystem, aber die Steuerklassen werden jährlich an die Inflation angepasst. Dadurch wird die kalte Progression deutlich reduziert.


6. Fazit: Warum die kalte Progression ein wichtiges Thema bleibt

  1. Schleichende Steuererhöhungen durch kalte Progression führen zu Kaufkraftverlusten und wirtschaftlichen Verzerrungen.
  2. Arbeitnehmer werden stärker belastet, obwohl ihr realer Wohlstand nicht steigt.
  3. Regierungen profitieren durch höhere Steuereinnahmen, ohne aktiv Steuern erhöhen zu müssen.
  4. Langfristig können wirtschaftliche Wachstumsimpulse gebremst und die soziale Ungleichheit verstärkt werden.
  5. Lösungen wie die Indexierung der Steuerstufen oder Steuerreformen sind notwendig, um die Auswirkungen zu begrenzen.

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