Finanzlexikon Momentum, Value und Co.
Was hinter Faktorstrategien steckt
Faktorstrategien gehören zu den ältesten und zugleich modernsten Ansätzen der Geldanlage. Sie beruhen auf der Idee, dass bestimmte Eigenschaften von Unternehmen langfristig mit höheren Renditen verbunden sind. Diese Eigenschaften – sogenannte Faktoren – lassen sich systematisch identifizieren und in Portfolios abbilden. Obwohl der Begriff technisch wirkt, steckt dahinter ein klarer Gedanke: Märkte sind nicht perfekt. Manche Muster treten wiederholt auf, weil Anleger ähnlich reagieren, Unternehmen vergleichbare Strukturen aufweisen oder Risiken unterschiedlich vergütet werden. Faktorstrategien setzen genau an diesen Mustern an.
Was ein Faktor ist
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Ein Faktor beschreibt ein strukturelles Merkmal, das über längere Zeit hinweg die Wertentwicklung beeinflusst.
Faktoren sind also keine kurzfristigen Trends, sondern nachweisbare Muster.
Sie entstehen aus Risiko, Verhalten oder Unternehmensqualität.
Die wichtigsten klassischen Faktoren sind:
- Value: Unternehmen, deren Bewertung niedrig erscheint – etwa im Verhältnis zu Gewinn, Umsatz oder Buchwert.
- Momentum: Aktien, die eine positive Trendbewegung zeigen und über einen Zeitraum hinweg stärker gelaufen sind.
- Size: Kleinere Unternehmen, die langfristig häufig überdurchschnittliche Renditen erzielen.
- Quality: Firmen mit stabilen Gewinnen, soliden Bilanzen und verlässlichen Geschäftsmodellen.
- Low Volatility: Aktien mit geringen Schwankungen, die erstaunlicherweise oft bessere risikoadjustierte Ergebnisse liefern.
Diese Faktoren wirken unterschiedlich und reagieren jeweils auf eigene Marktmechanismen.
Warum Faktoren funktionieren
Es gibt zwei zentrale Erklärungsansätze, warum Faktorstrategien langfristig Mehrwert liefern können.
1. Risikobasierter Ansatz
Manche Faktoren spiegeln zusätzliche Risiken wider, die der Markt langfristig vergütet. Value-Aktien sind etwa oft in schwierigen Branchen oder Phasen. Kleinere Unternehmen haben weniger stabile Ertragslagen. Investoren verlangen für diese Unsicherheiten höhere Renditen.
2. Verhaltensbasierter Ansatz
Menschen handeln nicht immer rational. Sie über- oder untertreiben, folgen Trends oder reagieren verspätet. Momentum entsteht beispielsweise durch Herdenverhalten. Low-Volatility-Strategien funktionieren teilweise deshalb, weil viele Anleger auf „spektakuläre“ Werte setzen und konservative Titel vernachlässigen.
In beiden Fällen entsteht ein systematischer Effekt, der sich in Portfolios nutzen lässt.
Worin sich die wichtigsten Faktoren unterscheiden
Faktorstrategien verbinden Struktur, Analyse und langfristiges Denken. Sie nutzen Eigenschaften von Unternehmen, die sich historisch als renditestark erwiesen haben – sei es durch Risiko, Verhalten oder Qualität."
Jeder Faktor hat eine eigene Marktlogik.
- Value profitiert, wenn Bewertungsunterschiede sich verringern. Diese Phasen treten oft nach Marktübertreibungen auf.
- Momentum funktioniert, wenn Trends stabil bleiben und Anleger schrittweise nachziehen.
- Quality wirkt besonders in unsicheren Zeiten, weil stabile Geschäftsmodelle bevorzugt werden.
- Low Volatility glättet Schwankungen und kann langfristig zu ausgewogeneren Ergebnissen führen.
- Size ist stärker konjunkturabhängig, weil kleinere Unternehmen sensibler auf Wirtschaftslagen reagieren.
Kein Faktor funktioniert immer. Entscheidend ist die langfristige Perspektive.
Wie Faktorstrategien in Portfolios eingesetzt werden
Moderne Portfolios nutzen Faktoren als Bausteine, um bestimmte Eigenschaften gezielt zu verstärken. Dies kann über aktiv gemanagte Fonds oder über sogenannte Faktor-ETFs geschehen.
Ein sinnvoller Einsatz folgt drei Grundideen:
- Kombination mehrerer Faktoren, um Schwächen einzelner Phasen auszugleichen.
- Klare Gewichtung, damit Faktoren nicht ungewollt überlagern – etwa wenn Momentum und Growth zu stark dominieren.
- Langfristigkeit, da viele Faktoren über Jahre wirken, nicht über Wochen.
Besonders stabil sind Portfolios, die Quality, Value und Momentum miteinander verbinden, weil diese Faktoren verschiedene wirtschaftliche Mechanismen abdecken.
Wo die Grenzen liegen
Faktorstrategien sind kein Garant für Outperformance in jedem Jahr. Sie durchlaufen Phasen, in denen sie hinter dem Markt zurückbleiben. Value hat beispielsweise lange Schwächephasen erlebt, Momentum wiederum reagiert empfindlich auf schnelle Marktumschwünge.
Zudem können Faktorprämien schrumpfen, wenn sie sehr populär werden. Entscheidend ist daher, dass Strategien nachvollziehbar, transparent und breit ausgerichtet sind.
Warum Faktoren langfristig sinnvoll sein können
Trotz ihrer Schwankungen bieten Faktoren eine Besonderheit: Sie beruhen auf klaren Regeln. Dadurch entsteht ein strukturiertes Vorgehen, das frei von Emotionen ist. Statt auf einzelne Titel zu setzen, investieren Faktorstrategien in systematische Eigenschaften. Das macht sie besonders für Anleger interessant, die langfristig investieren und auf robuste Muster setzen möchten.
Fazit
Faktorstrategien verbinden Struktur, Analyse und langfristiges Denken. Sie nutzen Eigenschaften von Unternehmen, die sich historisch als renditestark erwiesen haben – sei es durch Risiko, Verhalten oder Qualität. Obwohl kein Faktor in jeder Marktphase überzeugt, entsteht durch Kombination und Langfristigkeit ein klarer Mehrwert. Faktoren sind damit weniger ein Trend als ein systematischer Ansatz, der Vielfalt und Stabilität in ein Portfolio bringt.
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