Grundidee: Verluste realisieren, Steuerlast senken

Verluste realisieren, Steuerlast senken Tax-Loss Harvesting bei ETFs

Tax-Loss Harvesting – das gezielte Realisieren von Verlusten zur Steueroptimierung – ist in den USA ein weit verbreitetes Konzept der Vermögensverwaltung.

Auch in Deutschland gewinnt es zunehmend an Aufmerksamkeit. Besonders bei ETFs, die klar strukturiert und breit gestreut sind, lässt sich diese Strategie auf effiziente Weise anwenden. Doch wie funktioniert sie konkret, welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind zu beachten – und worauf kommt es in der praktischen Umsetzung wirklich an?

Grundidee: Verluste realisieren, Steuerlast senken

Das Prinzip des Tax-Loss Harvesting ist einfach: Wenn ein ETF unter dem ursprünglichen Kaufkurs notiert, verkauft der Anleger ihn bewusst mit Verlust, um diesen steuerlich geltend zu machen. Der realisierte Verlust kann mit anderen Kapitalerträgen – wie Gewinnen aus Aktienverkäufen, Zinsen oder Dividenden – verrechnet werden. Dadurch sinkt die insgesamt zu zahlende Abgeltungsteuer.

Das freigesetzte Kapital wird anschließend wieder investiert – entweder in denselben ETF (nach einer angemessenen Wartezeit) oder in einen ähnlichen, aber nicht identischen Fonds. So bleibt die Investmentstrategie erhalten, während steuerlich ein Vorteil entsteht. Die Strategie zielt dabei nicht auf Markttiming, sondern auf steuerliche Effizienz durch geschickte Verlustnutzung.

Rahmenbedingungen im deutschen Steuerrecht

Seit Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 ist die Verlustverrechnung in Deutschland streng reglementiert. Verluste aus ETFs können mit positiven Erträgen aus anderen Kapitalanlagen verrechnet werden – solange es sich um gleichartige Einkünfte handelt.

Das bedeutet: Realisierte Verluste aus ETF-Verkäufen werden dem allgemeinen Verlustverrechnungstopf für Kapitalerträge zugewiesen. Sie können also mit:

  • Gewinnen aus Verkäufen anderer Fonds oder ETFs.
  • Erträgen aus Anleihen, Zertifikaten oder Zinsen.
  • nicht jedoch mit Gewinnen aus Einzelaktien (diese sind gesondert zu führen).

Der Vorteil: Der Anleger kann den Verlust direkt im selben Kalenderjahr verrechnen oder in künftige Jahre vortragen lassen.

Bei mehreren Depots ist allerdings die rechtzeitige Beantragung einer Verlustbescheinigung notwendig, um eine depotübergreifende Verrechnung über die Einkommensteuererklärung zu ermöglichen.

Taktisches Vorgehen: ETFs verkaufen – aber wie?

In der Praxis stellt sich die Frage, welcher ETF verkauft werden sollte, wann der richtige Zeitpunkt ist und wie man anschließend wieder investiert. Hierbei gilt es, strukturiert und diszipliniert vorzugehen:

  1. Verlustschwelle festlegen: Anleger sollten sich bewusst machen, ab welchem Verlustniveau ein Verkauf sinnvoll ist. Zu häufige Transaktionen führen zu unnötigem Aufwand und potenziellen Fehlentscheidungen.
  2. Timing prüfen: Der Verkauf sollte gegen Jahresende erfolgen, um mit bereits erzielten Gewinnen verrechnet werden zu können – idealerweise nach einem Rebalancing des Portfolios.
  3. Wiederanlage planen: Um die Marktexponierung nicht zu verlieren, kann entweder in einen ähnlichen ETF investiert werden (z. B. ein anderer Anbieter mit gleichem Index) oder nach einer kurzen Pause erneut in das gleiche Produkt.

Wichtig: Bei sofortigem Rückkauf desselben ETFs besteht das Risiko, dass das Finanzamt den Vorgang als steuerlich motivierte Gestaltung ohne wirtschaftlichen Hintergrund bewertet. Zwar existiert in Deutschland keine gesetzliche „Wash Sale Rule“ wie in den USA, doch sollte eine zu schnelle Rückkehr in denselben Fonds vermieden werden – eine Haltefrist von einigen Wochen gilt als unkritisch und rechtlich unproblematisch.

Beispielhafte Umsetzung: Strategie ohne Stilbruch

Tax-Loss Harvesting bei ETFs ist ein effektives Werkzeug im Rahmen einer disziplinierten, langfristig orientierten Anlagestrategie. Es erfordert jedoch ein gutes Verständnis der steuerlichen Rahmenbedingungen, eine klare Struktur im Depot und die Bereitschaft, taktisch zu agieren, ohne sich von kurzfristigen Kursbewegungen treiben zu lassen."

Ein Anleger, der beispielsweise einen globalen Aktien-ETF wie den MSCI World hält, kann bei einem zwischenzeitlichen Kursrückgang bewusst verkaufen und in einen ähnlichen ETF investieren – etwa einen ETF auf den FTSE All-World Index oder einen von einem anderen Emittenten mit leicht abweichender Zusammensetzung. So bleibt die strategische Allokation erhalten, während der steuerliche Verlust genutzt werden kann.

Dieses Vorgehen lässt sich auch mit anderen Regionen oder Themen-ETFs umsetzen – etwa durch Tausch eines ESG-ETFs in einen gleichwertigen ohne ESG-Fokus, sofern dies mit der Anlagestrategie vereinbar ist.

Grenzen und Risiken

Tax-Loss Harvesting ist keine Wunderwaffe. Die Maßnahme lohnt sich nur, wenn es tatsächlich zu versteuernde Gewinne gibt – etwa durch Verkäufe, Ausschüttungen oder thesaurierende Erträge. Wer ausschließlich Verluste realisiert, ohne sie gegenrechnen zu können, erzeugt lediglich einen Verlustvortrag, der sich möglicherweise erst Jahre später nutzen lässt.

Zudem sollte vermieden werden, dass die Steueroptimierung die eigentliche Anlagestrategie verdrängt. Wer laufend umschichtet, verliert möglicherweise Fokus, riskiert Performanceeinbußen und zahlt unnötige Transaktionskosten. Auch psychologische Effekte wie das Festhalten an Verlustpositionen oder hektisches Umschichten bei kleinsten Kursbewegungen können langfristig schädlich sein.

Fazit: Steuerliche Disziplin, nicht Aktionismus

Tax-Loss Harvesting bei ETFs ist ein effektives Werkzeug im Rahmen einer disziplinierten, langfristig orientierten Anlagestrategie. Es erfordert jedoch ein gutes Verständnis der steuerlichen Rahmenbedingungen, eine klare Struktur im Depot und die Bereitschaft, taktisch zu agieren, ohne sich von kurzfristigen Kursbewegungen treiben zu lassen.

Wer diese Disziplin aufbringt, kann durch intelligente Verlustverwertung die Nettorendite steigern, ohne das Risiko zu erhöhen – ein Vorteil, der sich gerade bei größeren Vermögen und über längere Zeiträume bemerkbar macht.

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