Große Pläne, begrenzte Fortschritte Versicherungen: Digitaler Wandel
Zwischen Anspruch und Realität – warum die Transformation stockt und was sie dennoch voranbringt.
Kaum eine Branche ist in ihrer Grundstruktur so konservativ wie die Versicherungswirtschaft. Produkte, Prozesse und Vertriebswege sind oft historisch gewachsen, stark reguliert und auf Langfristigkeit ausgelegt. Doch die Anforderungen des digitalen Zeitalters machen auch vor diesem Sektor nicht Halt. Kundenerwartungen verändern sich, technologische Standards steigen – und neue Wettbewerber treten auf.
Der digitale Wandel ist deshalb längst kein freiwilliger Modernisierungsschritt mehr, sondern eine strategische Notwendigkeit. Doch viele Versicherungsunternehmen kämpfen damit, ihre ambitionierten Ziele mit der Realität zu versöhnen. Eine internationale KPMG-Studie belegt: In vielen Bereichen hinkt die Umsetzung den eigenen Erwartungen hinterher – trotz hoher Investitionen.
Große Pläne, begrenzte Fortschritte
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Die Studienergebnisse zeigen, dass Versicherer weltweit in Technologien wie künstliche Intelligenz (KI), Automatisierung, Datenanalyse und Cybersicherheit investieren. Doch nur ein kleiner Teil der Unternehmen sieht sich selbst auf dem richtigen Weg. Oft scheitert die Transformation nicht am Willen – sondern an verkrusteten Strukturen, fehlendem Know-how oder kulturellen Barrieren.
Vor allem drei Problemfelder dominieren:
- Fragmentierte IT-Landschaften: Jahrzehntelang gewachsene Systeme lassen sich schwer integrieren, erschweren Automatisierung und Datenabgleich.
- Fachkräftemangel: Data Scientists, KI-Experten und agile Entwickler sind begehrt – aber in der traditionellen Versicherungswelt schwer zu halten.
- Kulturwandel: Der Umbau erfordert nicht nur Technik, sondern auch ein neues Führungsverständnis, Fehlerakzeptanz und bereichsübergreifende Zusammenarbeit.
Die Folge: Pilotprojekte bleiben oft isoliert, Prozesse digitalisieren sich nur teilweise, und die Kundenreise wirkt an vielen Stellen inkonsistent.
Künstliche Intelligenz – Hoffnungsträger mit Vorbehalten
Die Erwartungen an KI sind hoch: Schnellere Schadenbearbeitung, automatisierte Risikoprüfung, personalisierte Tarife und intelligente Betrugserkennung stehen auf den Wunschlisten ganz oben. Erste Use Cases zeigen auch Potenzial. Doch der flächendeckende Einsatz stockt.
Viele Versicherer berichten von:
- unzureichenden Datenmengen oder mangelnder Datenqualität
- rechtlichen Unsicherheiten rund um Transparenz und Diskriminierungsfreiheit
- ethischen Fragen bei der automatisierten Entscheidung über Zahlungen oder Prämien
Statt disruptiv umzubauen, verfolgen viele Unternehmen einen vorsichtigen Pfad: Erst begleiten, dann automatisieren. Doch dieser schrittweise Ansatz erfordert Zeit – und Geduld.
Cybersicherheit – unterschätztes Nadelöhr
Versicherungen wissen längst, dass die Zukunft digital ist. Doch zwischen Absichtserklärung und Umsetzung liegt ein weiter Weg. Technologie ist dabei nur ein Teil der Lösung. Ohne kulturellen Wandel, strategische Zielklarheit und konsequente Umsetzung bleiben viele Projekte Stückwerk."
Mit zunehmender Digitalisierung steigt auch die Verwundbarkeit. Cyberangriffe auf Versicherungen nehmen zu, nicht nur wegen des Werts sensibler Kundendaten, sondern auch als Reaktion auf Schwächen in der IT-Infrastruktur. Trotzdem bleibt Cybersicherheit in vielen Häusern ein Randthema – organisatorisch und finanziell.
Dabei geht es nicht nur um technologische Schutzmaßnahmen. Auch Mitarbeiter müssen sensibilisiert, Prozesse gehärtet und Notfallpläne erprobt werden. Der Reputationsschaden eines Datenlecks kann Jahre erfolgreicher Markenführung zunichtemachen.
Neue Player, neue Dynamik
Während klassische Versicherer mit internen Hürden kämpfen, treten Insurtechs mit digitaler DNA auf den Plan. Schlank, agil, technikaffin – und frei von Altlasten. Zwar fehlt ihnen oft die Kapitalstärke oder Erfahrung, doch sie setzen etablierte Anbieter unter Druck: durch schlanke Abschlussprozesse, bessere Apps, transparentere Kommunikation.
Manche Versicherer reagieren mit Beteiligungen, Partnerschaften oder der Gründung eigener Digitalmarken. Doch auch hier gilt: Ein digitaler Außenauftritt ersetzt keine durchdachte Gesamtstrategie. Der Wandel muss aus dem Inneren kommen – nicht vom Marketing.
Fazit: Digitalisierung braucht mehr als Technologie
Versicherungen wissen längst, dass die Zukunft digital ist. Doch zwischen Absichtserklärung und Umsetzung liegt ein weiter Weg. Technologie ist dabei nur ein Teil der Lösung. Ohne kulturellen Wandel, strategische Zielklarheit und konsequente Umsetzung bleiben viele Projekte Stückwerk.
Wer den Wandel meistern will, muss nicht alles neu erfinden. Aber er muss bereit sein, Prioritäten zu setzen, Verantwortlichkeiten neu zu denken – und Prozesse aus Kundensicht zu gestalten. Der Druck wächst. Und wer heute noch zögert, wird morgen vom Markt bestraft.
Digitale Transformation ist keine Frage des Wollens mehr – sondern eine des Könnens. Und daran entscheidet sich langfristig, welche Versicherer überleben – und welche nicht.

Ich glaube, dass die Zusammenarbeit mit motivierten Menschen auf beiden Seiten zusätzliche Energie freisetzt