So hätten Plakate 1709 in London aussehen können

Serie Geschichte: Die Merkel des Jahres 1709 hieß Anne Stuart Deutsche Flüchtlinge

Noch immer sorgen die zu uns kommenden Flüchtlinge für kontroverse Debatten und heftige Emotionen. Viele Deutsche erleben den Menschenzustrom als epochales Ereignis, das seinesgleichen sucht. Doch das ist ein Irrtum. Es finden sich viele Beispiele in der Geschichte, wo sich ähnliches ereignete. Auch die Reaktionen darauf gleichen sich teilweise frappierend.

Dabei gab es durchaus Zeiten, in denen Deutsche selbst Flüchtlinge waren. Eine heute fast vergessene "Flüchtlingskrise" fand im Jahre 1709 in London statt. Damals strömten Tausende von Pfälzern, die ihre Heimat verließen, innerhalb weniger Wochen in die Hauptstadt Englands. Tatsächlich war die Pfalz damals so etwas wie eine Krisenregion. Bereits der Dreißigjährige Krieg hatte dem Land schwer zugesetzt. 

Krisengebiet Pfalz und unlautere Versprechungen 

Die Kriegsfolgen waren noch nicht überwunden, als der sogenannte Pfälzische Erbfolgekrieg die Region zwischen Rhein und Nahe erneut erschütterte. Zwischen 1688 und 1697 richteten französische Besatzungstruppen verheerende Zerstörungen an. Den letzten Anstoß zur Flucht gab der extrem harte Winter 1708/1709, in dem vielerorts die Wintersaat, Weinstöcke und Obstbäume erfroren. Zahlreiche Pfälzer sagten daraufhin angesichts von Kriegszerstörungen und drohendem Hunger ihrer Heimat Adieu. 

Es gab erregte Diskussionen, was mit den Flüchtlingen anzufangen sei - fast wie heute.

Motiviert wurden sie dazu u.a. durch eine Schrift des Vikars Joshua Harrsch aus Eschelbronn bei Mannheim. Darin hieß es, in der englischen Kolonie Carolina in Amerika würden dringend Arbeitskräfte benötigt. Wer dorthin auswandere, könne ein neues, besseres Leben beginnen. Harrsch erweckte dabei auch den Eindruck, dass die englische Königin Anne Stuart überlege, die Kosten der Überfahrt zu übernehmen. Das Konterfei der Königin zierte manche Ausgaben seiner Schrift und erfüllte eine ähnliche Funktion wie das berühmte "Selfie" mit Angela Merkel. Dabei beruhten die Darstellungen des Vikars mehr auf Gerüchten und Hörensagen als auf Fakten. Er hoffte mit der Anwerbung, vor allem seine eigene Auswanderung zu finanzieren. Die englische Königin wusste von dem Ganzen nichts. 

Nur wenige Hoffnungen erfüllten sich 

Den Verheißungen vertrauend strömten im Frühjahr und Sommer 1709 rund 13.000 Pfälzer nach London in Erwartung einer baldigen kostenlosen Weiterfahrt nach Carolina. Es entstand eine Zeltstadt, die Behörden zeigten sich zum Teil überfordert, reiche Bürger spendeten und es gab erregte Diskussionen, was mit den Flüchtlingen anzufangen sei - fast wie heute. Ihr Glück fanden nur die wenigsten Flüchtlinge aus der Pfalz. Katholiken unter ihnen wurden abgeschoben, einige Tausend siedelte man in Irland an, wo das Leben aber nicht viel besser war als zu Hause. Immerhin 3.000 Pfälzer konnten in England erfolgreich integriert werden. Das eigentliche Ziel - die Neue Welt - erreichten nur einige Hundert Flüchtlinge.

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