Die Qualität der Bildungsmaßnahmen lässt häufig zu wünschen übrig

Studie zu Finanzbildung Die Bedeutung finanzieller Bildung nimmt stetig zu

Die Bedeutung finanzieller Bildung nimmt in einer zunehmend komplexen Welt der Finanzen stetig zu. Sparen, Investieren, Altersvorsorge oder der verantwortungsvolle Umgang mit Krediten – all das erfordert Kenntnisse, die längst nicht mehr selbstverständlich sind.

Vor diesem Hintergrund hat die Finanzbildungsforscherin Carmela Aprea gemeinsam mit ihrer Doktorandin Merve Suna eine umfassende Studie zu den außerschulischen Bildungsangeboten in Deutschland durchgeführt. Die Ergebnisse sind aufschlussreich: Es mangelt nicht an Initiativen, aber deren Qualität und Effektivität sind häufig fragwürdig.


Ein breites Angebot mit Schwächen

Laut der Studie gibt es in Deutschland eine Vielzahl von Angeboten im Bereich der außerschulischen finanziellen Bildung. Diese reichen von Workshops und Online-Kursen über Ratgeberliteratur bis hin zu groß angelegten Initiativen von Banken, Stiftungen und Verbänden.

Besonders auffällig ist die Vielzahl an digitalen Formaten, die in den letzten Jahren entstanden sind – oft getrieben durch die wachsende Digitalisierung und die Pandemie.

Allerdings zeigt sich ein zentrales Problem: Die Qualität dieser Bildungsmaßnahmen lässt häufig zu wünschen übrig.

Viele Angebote orientieren sich nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen über Lernprozesse oder finanzielle Kompetenzen. Stattdessen wirken sie häufig unkoordiniert und verfolgen keine klaren pädagogischen Ansätze.

Laut Aprea fehlt es vielen Programmen an fundierten Konzepten, die den individuellen Bedürfnissen der Lernenden gerecht werden.


Mangelnde Wirksamkeit

Ein weiterer zentraler Befund der Studie ist die unzureichende Messung der Wirksamkeit der Maßnahmen. Nur wenige Programme evaluieren systematisch, ob und in welchem Umfang die Teilnehmer tatsächlich von den Bildungsangeboten profitieren. „Die bloße Teilnahme an einem Workshop oder das Lesen eines Finanzratgebers führt nicht automatisch dazu, dass Menschen ihre Finanzkompetenz nachhaltig verbessern“, erklärt Aprea. Um die tatsächliche Wirkung zu bewerten, sei es notwendig, die langfristigen Auswirkungen auf das Verhalten und die Entscheidungsfähigkeit der Teilnehmer zu untersuchen – eine Praxis, die bislang nur selten umgesetzt wird.


Verpasste Chancen: Wissenschaft und Praxis im Missklang

Ein entscheidender Kritikpunkt der Studie ist die mangelnde Verzahnung von Wissenschaft und Praxis. Obwohl es in der Forschung fundierte Erkenntnisse darüber gibt, wie Menschen finanzielle Kompetenzen erwerben und wie diese gefördert werden können, finden diese in der Gestaltung der Bildungsangebote kaum Beachtung. Häufig werden standardisierte Inhalte vermittelt, die wenig Rücksicht auf unterschiedliche Zielgruppen wie Jugendliche, ältere Menschen oder Personen mit geringem Einkommen nehmen.

„Es reicht nicht aus, Wissen einfach zu präsentieren“, so Aprea. „Die Programme müssen die Lebensrealität der Menschen berücksichtigen und interaktive, praxisorientierte Methoden einsetzen.“ Insbesondere für vulnerable Gruppen seien maßgeschneiderte Ansätze notwendig, um die Barrieren beim Zugang zu finanzieller Bildung zu überwinden.


Wer trägt die Verantwortung?

Um die Herausforderungen der modernen Finanzwelt zu meistern, bedarf es eines koordinierten, qualitativ hochwertigen Ansatzes, der auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Nur so kann sichergestellt werden, dass Menschen in die Lage versetzt werden, informierte und verantwortungsvolle Finanzentscheidungen zu treffen."

Die Frage nach der Verantwortung für finanzielle Bildung bleibt in Deutschland ebenfalls ungeklärt. Während Schulen zunehmend Finanzthemen in den Unterricht integrieren, ist der außerschulische Bereich häufig von privatwirtschaftlichen Akteuren geprägt. Banken und Versicherungen spielen eine zentrale Rolle, doch ihre Bildungsmaßnahmen sind oft nicht frei von Eigeninteressen. „Es besteht die Gefahr, dass solche Angebote eher als Marketinginstrument genutzt werden, anstatt echte Bildungsziele zu verfolgen“, warnt die Studie.

Die Autoren plädieren dafür, dass der Staat eine stärkere Rolle übernimmt und unabhängige Bildungsprogramme fördert. Diese sollten von neutralen Organisationen entwickelt und durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass sie den Bedürfnissen der Menschen dienen und nicht denen von Unternehmen.


Handlungsempfehlungen der Forscherinnen

Um die finanzielle Bildung in Deutschland effektiver zu gestalten, gibt die Studie mehrere Empfehlungen:

  1. Stärkere Einbindung der Wissenschaft: Bildungsangebote sollten auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren und gezielt an die Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen angepasst werden.
  2. Systematische Evaluation: Die Wirksamkeit von Programmen muss konsequent gemessen werden, um sicherzustellen, dass sie einen nachhaltigen Effekt auf das Verhalten der Teilnehmer haben.
  3. Unabhängigkeit fördern: Staatliche und gemeinnützige Organisationen sollten stärker in die Entwicklung von Finanzbildungsmaßnahmen eingebunden werden, um Interessenkonflikte zu vermeiden.
  4. Praxisorientierte Ansätze: Interaktive Formate, die praktische Fähigkeiten wie Haushaltsführung oder die Planung von Altersvorsorge vermitteln, sind besonders effektiv und sollten stärker im Fokus stehen.
  5. Zugang verbessern: Bildungsangebote müssen niederschwellig gestaltet werden, um auch sozial benachteiligte Gruppen zu erreichen. Dazu gehört, Programme in verschiedenen Sprachen und Formaten anzubieten.

Fazit: Ein Feld mit großem Potenzial

Die Studie von Carmela Aprea und Merve Suna legt den Finger in eine wichtige Wunde: Obwohl es in Deutschland eine Vielzahl von Initiativen zur finanziellen Bildung gibt, bleibt deren Wirkung oft begrenzt.

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