Unlogisch, aber vertraut Leitzinserhöhung und sinkenden Anleiherenditen
Als die amerikanische Notenbank Fed kürzlich erneut die Leitzinsen anhob, wurde das als Signal für wieder steigende Zinsen gewertet. Überraschenderweise fielen aber danach die Anleiherenditen am längeren Ende - unlogisch oder erwartbar?
Diese "umgekehrte" Zinsentwicklung widerspricht eigentlich dem "Lehrbuchwissen" über den Preis des Geldes - denn das sind letztlich die Zinsen. Danach müssten Zinserhöhungen durch die Zentralbank eigentlich auch zu höheren Renditen am Anleihemarkt führen. Blickt man allerdings in die Vergangenheit, ist festzustellen, dass es häufig anders kam. Ein wichtiger Referenz-Zeitraum ist die Periode der US-Leitzinserhöhungen ab 2004.
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Beispiele aus der Vergangenheit
Damals erhöhte die Fed innerhalb kurzer Zeit insgesamt 17 Mal die Leitzinsen - zuletzt auf heute fantastisch anmutende 5,25 Prozent. Die langfristigen Anleiherenditen entwickelten sich dazu im Vergleich uneinheitlich und schwankten zunächst zwischen 4 und 5 Prozent. Erst später kam es zu einem stärkeren Gleichklang in der Zinsentwicklung. Dem seinerzeitigen Fed-Chef Alan Greenspan war das ein Rätsel, denn auch er ging von einem starken Zusammenhang von Leitzinsen und Anleiherenditen aus. Heute sehen Geldtheoretiker das wesentlich differenzierter.
Greenspans Nachfolger Ben Bernanke hatte seine Erklärung für das Phänomen. Seiner Meinung nach war die starke Kapitalnachfrage aus China der Grund für "überraschende" Renditen bei längeren Laufzeiten. Die Chinesen setzten danach damals bevorzugt auf US-Anleihen als sichere Kapitalanlage. Die durch dieses Sicherheitsbedürfnis ausgelöste Nachfrage verhinderte den Rendite-Anstieg. Allerdings hatte es bereits früher Phasen von Leitzinserhöhungen mit sinkenden Anleiherenditen gegeben, als chinesische Nachfrage noch keine Rolle spielte. Das war zum Beispiel zwischen Frühjahr 1988 und Frühjahr 1989 der Fall. Damals erhöhte die Fed innerhalb kurzer Zeit die Leitzinsen um 3 Prozentpunkte. Die Anleiherenditen reagierten kaum.
Leitzinsänderungen wirken vor allem bei den kurzfristigen Zinsen."
Weitgehend entkoppelte Märkte
Offenbar ist der Zusammenhang zwischen Leitzinsen und längerfristigen Anleiherenditen schwächer als lange vermutet. Leitzinsänderungen wirken vor allem bei den kurzfristigen Zinsen. Bei längerfristigen Zinsen haben sie zwar einen gewissen Einfluss. Andere Faktoren sind aber wohl stärker und können diesen Effekt überlagern, ggf. sogar zu gegenläufigen Entwicklungen führen. Welches sind diese Größen? Es dürfte sich vor allem um Inflationserwartungen, Konjunktur-Perspektiven, Einflüsse der Finanzpolitik und die "Risikolage" handeln, die hier relevant sind. Es spricht daher einiges dafür, langfristige Anleihen als eigenständigen Markt zu sehen, der weitgehend vom Markt für kurzfristiges Geld entkoppelt ist.
Derzeit ist es sicher zu früh für Feststellungen, ob das Auseinanderklaffen der US-Zinsentwicklung vorübergehend oder dauerhaft ist. Sollte die gute US-Konjunktur nicht anhalten, die Inflation weniger stark steigen als gedacht und die Unsicherheit in der Welt zunehmen, könnten Anleiherenditen aber trotz steigender Leitzinsen weiter unter Druck stehen.