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Finanzlexikon Macht und Mittel

Die Geschichte der Besteuerung in Deutschland.

Steuern sind älter als Staaten. Schon im Mittelalter waren Abgaben an Grundherren, Fürsten oder die Kirche ein fester Bestandteil des Lebens. Sie dienten weniger einer organisierten Verwaltung als der Sicherung von Macht. Wer Steuern einziehen konnte, besaß Autorität – und wer sie verweigerte, stellte diese Autorität infrage.

Die frühen Abgaben hatten oft konkrete Zwecke: Zehnten für kirchliche Versorgung, Zölle für Handelswege, Frondienste statt Geldzahlungen. Erst mit der Verbreitung von Geldwirtschaft und Territorialstaaten entstand das, was man heute Besteuerung nennt – regelmäßige, allgemeine, gesetzlich geregelte Geldabgaben.


Vom Fürsten zum Staat

Im Heiligen Römischen Reich war Steuererhebung lange zersplittert. Städte, Fürstentümer und geistliche Territorien legten ihre eigenen Abgaben fest. Einheitliche Regeln gab es kaum. Erst im 19. Jahrhundert, mit der Konsolidierung der deutschen Staaten, begann eine Vereinheitlichung.

Preußen führte feste Einkommen- und Grundsteuern ein, um die wachsende Verwaltung und das Militär zu finanzieren. Diese Steuern waren erstmals nicht nur Zwangsabgaben, sondern Ausdruck einer modernen Staatslogik: Jeder Bürger sollte nach Leistungsfähigkeit beitragen. Damit entstand das Prinzip, das bis heute das Steuersystem trägt.

Kennzeichen der frühen modernen Steuerpolitik:

  • feste gesetzliche Grundlagen,
  • zentrale Erfassung und Kontrolle,
  • wachsende Bedeutung direkter Steuern gegenüber Zöllen und Abgaben.

Die Steuer wurde so vom Herrschaftsmittel zum Organisationsinstrument – Grundlage eines handlungsfähigen Staates.


Das 20. Jahrhundert: Krieg, Krise und Aufbau

Mit der Industrialisierung stiegen Einnahmen und Aufgaben. Der Erste Weltkrieg brachte erstmals Massenbesteuerung: Kriegssteuern, Vermögensabgaben, Luxussteuern. Nach 1918 blieb der Staat dauerhaft auf breiter Steuerbasis angewiesen. Die Weimarer Republik führte die Körperschaftsteuer ein und stärkte die Einkommensteuer – mit dem Prinzip der Progression.

Die nationalsozialistische Finanzpolitik nutzte Steuern zur Kontrolle von Wirtschaft und Gesellschaft. Zugleich verschob sie die Last über verdeckte Abgaben und Zwangsanleihen. Nach 1945 stand der Wiederaufbau im Mittelpunkt: Das alliierte Besatzungsrecht führte ein vereinfachtes, aber verbindliches Steuersystem ein, das die Grundlage der Bundesrepublik wurde.


Das Nachkriegssystem

Vom Zehnten bis zur CO₂-Abgabe zieht sich eine Linie: Wer den Staat gestalten will, muss ihn finanzieren. Und wer ihn finanziert, hat ein Anrecht darauf, zu verstehen, wie."

Mit dem Grundgesetz erhielt Deutschland 1949 eine klare Steuerverfassung. Sie regelte die Verteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. In den 1950er-Jahren entstand das bis heute gültige System gemeinschaftlicher Steuern – Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer – als Hauptquellen der öffentlichen Finanzen.

Der Steuerstaat wurde nun zum Sozialstaat. Mit wachsendem Wohlstand entstanden neue Aufgaben: Infrastruktur, Bildung, Rente, Gesundheitswesen. Die Finanzierung erfolgte zunehmend über breite Steuerbasis und Sozialabgaben.

Die prägenden Entwicklungen nach 1950:

  • Ausbau der Einkommensteuer als Leitsteuer,
  • Einführung der Mehrwertsteuer (1968) als moderne Verbrauchsteuer,
  • wachsende Bedeutung der Lohnsteuer als Quellensteuer,
  • Anpassung an europäische Harmonisierung.

Steuern wurden zum wichtigsten Hebel wirtschafts- und sozialpolitischer Steuerung.


Steuerpolitik als Gesellschaftspolitik

Seit den 1970er-Jahren ist Steuerpolitik eng mit wirtschaftlichen Leitbildern verknüpft: Wachstumsförderung, Verteilungsgerechtigkeit, Entlastung oder Konsolidierung. Reformen wie die Einkommensteuerreform 1990, die Unternehmenssteuerreform 2000 oder die Einführung der Abgeltungsteuer 2009 zeigen, wie stark sich steuerliche Logik an Finanzmärkte, Globalisierung und Kapitalmobilität angepasst hat.

Steuern sind seither nicht nur Finanzierungsquelle, sondern auch Signal: für Fairness, Wettbewerbsfähigkeit oder Nachhaltigkeit. Jede Reform steht im Spannungsfeld zwischen fiskalischer Notwendigkeit und gesellschaftlicher Erwartung.


Dauer und Wandel

Die Geschichte der Besteuerung in Deutschland ist eine Geschichte des Wandels – von willkürlicher Herrschaftsabgabe zu rechtsstaatlichem System. Doch der Kern bleibt gleich: Steuern sind die organisierte Form, Verantwortung zu teilen. Sie spiegeln Machtverhältnisse, wirtschaftliche Strukturen und gesellschaftliche Prioritäten.


Fazit

Steuern begleiten die deutsche Geschichte als Konstante und als Spiegel. Sie finanzierten Kriege, Wiederaufbau, Wohlfahrt und nun die Transformation. Vom Zehnten bis zur CO₂-Abgabe zieht sich eine Linie: Wer den Staat gestalten will, muss ihn finanzieren. Und wer ihn finanziert, hat ein Anrecht darauf, zu verstehen, wie.

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