Wirtschaftliche Zusammenhänge zu erkennen, sollte schon früh gelehrt werden

Serie Bildung: Berufswelt im digitalen Zeitalter Pflichtschulfach Wirtschaft

Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass die Wirtschaft heute viele Lebensbereiche durchdringt. Selten war die Position der Ökonomie so herausragend wie in unserem digitalen Zeitalter.

Nur in allgemeinbildenden Schulen wurden und werden wirtschaftliche Zusammenhänge (Finanzwissen) nach wie vor häufig vernachlässigt. Baden-Württemberg will dies als erstes Bundesland jetzt ändern. Ab dem kommenden Jahr soll Wirtschaft Pflichtschulfach an den Gymnasien des Landes werden. Doch was soll dort konkret vermittelt werden? Darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Autor

Wirtschaft - vernachlässigter Teil der Allgemeinbildung 

Bislang sind wirtschaftliche Themen weitgehend den berufsbildenden Schulen hierzulande vorbehalten. In Handelsschulen, Berufskollegs oder Wirtschaftsgymnasien gehören entsprechende Inhalte bereits seit Langem zum Kernbestandteil der Lehrpläne. Anders sieht es bei den allgemeinbildenden Schulen aus. Hier fristet Wirtschaft immer noch ein Schattendasein. Als eigenständiges Fach ist Ökonomie kaum vertreten.

Wenn überhaupt, wird sie im Rahmen von Querschnittsdisziplinen wie Gesellschaftslehre, Gemeinschaftskunde oder Erdkunde behandelt. Es mag überraschen, dass es ausgerechnet eine rot-grüne Landesregierung ist, die jetzt das Pflichtschulfach Wirtschaft einführen will. Dass der Antritt grundsätzlich Sinn macht, werden auch Bildungspolitiker anderer politischer Couleur kaum bestreiten.

Denn es ist nicht nachzuvollziehen, warum ein so essentieller Teil unseres Lebens nicht Gegenstand schulischer Bildung sein sollte. Wirtschaftliche Sachverhalte betreffen praktisch jeden Menschen und werden spätestens beim Eintritt ins Berufsleben unmittelbar persönlich relevant. Der Erwerb vorbereitender Kenntnisse in der Schulzeit kann daher nur hilfreich sein. 

Streit um das neue Pflichtschulfach 

So lobenswert das Vorhaben an sich ist, an den geplanten Inhalten des Pflichtschulfaches regt sich einige Kritik. Dabei wird eine unangemessene "Wirtschaftsnähe" und eine einseitige "neoliberale Sichtweise" bemängelt. Einige Bildungsverbände des Landes sehen sich bei der Konzeption vernachlässigt und beklagen einen übermäßigen Einfluss wirtschaftsnaher Stiftungen. Das geplante Pflichtschulfach orientiere sich zu sehr an den Wirtschaftswissenschaften und lasse eine differenzierte Sichtweise vermissen. Ökologische, soziale, ethische und politische Sichtweisen würden nicht berücksichtigt.

Wirtschaftliche Sachverhalte betreffen praktisch jeden Menschen und werden spätestens beim Eintritt ins Berufsleben unmittelbar persönlich relevant."

Ist diese Kritik zum Teil zu ideologisch geprägt? Ich meine nein, denn der Mainstream des wirtschaftlichen Denkens und Handelns in unserem Land kann zu recht als ausgeprägt neoliberal bezeichnet werden. Hierüber sollte deutlich mehr als bisher öffentlich ein Diskurs geführt werden: Wollen wir wirklich auch weiterhin der ausschließlich rationalen Denke in der Wirtschaft diese Vorrangstellung einräumen oder hier bewusster soziale und ethisch-moralischen Sichtweisen, also der Verhaltensökonomie, mehr Platz einräumen? 

Dass die Wirtschaftswissenschaften als Basis zur Vermittlung von Lerninhalten in Frage gestellt werden, sollte dabei nicht seltsam anmuten. Welche andere Wissenschaftsdisziplin soll hier aussagekräftigere Erklärungsansätze bieten? Sicher abstrahiert die Theorie- und Modellwelt der Ökonomie stark. Der vielfach unterstellte "homo oeconomicus", der ausschließlich rational agiert und nach Nutzenmaximierung strebt, gibt nur einen Ausschnitt menschlichen Denkens und Handelns wieder. Dennoch ist er geeignet, wirtschaftliches Verhalten zu erklären - wohl wissend, dass dies nicht die "ganze Wahrheit" ist. 

Es ist sicher richtig, Wirtschaft auch kritisch und aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Das sollte aber nur auf der Basis fundierter Kenntnisse erfolgen. Dafür bieten die Wirtschaftswissenschaften eine gute Grundlage.

Kontakt zu mir

Hallo!
Schön, dass Sie mich kennenlernen möchten.