FNG-Marktbericht Stimmungsumschwung bei Nachhaltigkeit?
Nachhaltiger Finanzmarkt unter Druck – Berater zeigen sich zunehmend zurückhaltend.
Der Markt für nachhaltige Geldanlagen, lange Zeit als zukunftsträchtiger Wachstumstreiber gehandelt, gerät unter Druck. Das ist das zentrale Fazit des aktuellen Marktberichts des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG). Erstmals in der Geschichte der Erhebung wurden nicht nur institutionelle Investoren, sondern auch Finanzberater befragt. Die Ergebnisse zeichnen ein differenziertes Bild: Zwar ist das Volumen nachhaltiger Geldanlagen in Deutschland, Österreich und der Schweiz weiterhin beachtlich – doch die Stimmung kippt. Sorgen um Greenwashing, regulatorische Komplexität und eine wachsende Skepsis in der Öffentlichkeit dämpfen die Erwartungen.
ESG-Wachstum verlangsamt sich
Nach Jahren rasanten Wachstums scheint die Dynamik im ESG-Bereich an eine Grenze zu stoßen. Zwar zeigen die Zahlen auf den ersten Blick noch immer ein solides Niveau – doch die Zuwachsraten flachen spürbar ab. Das Volumen nachhaltiger Publikumsfonds stagniert, in einigen Marktsegmenten kommt es sogar zu Mittelabflüssen. Besonders auffällig: Die Zahl neu aufgelegter ESG-Fonds ist rückläufig. Wo zuvor noch jeder Anbieter mit "grünen" Produkten auf den Markt drängte, wird nun selektiver agiert.
Hinzu kommt ein zunehmender Rechtfertigungsdruck. Der Markt sieht sich mit kritischen Medienberichten, aufsichtsrechtlichen Verschärfungen und wachsender Anlegerverunsicherung konfrontiert. Das führt in Teilen der Branche zu einer merklichen strategischen Zurückhaltung.
Finanzberater als neue Datenquelle
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Viele Berater berichten, dass sich Kunden zunehmend skeptisch gegenüber ESG-Produkten äußern. Zwar sei das Interesse an nachhaltigen Anlageformen grundsätzlich vorhanden, aber Unsicherheit über tatsächliche Wirkung, regulatorische Anforderungen und die Komplexität der ESG-Klassifizierungen erschwere den Verkaufsprozess.
Auffällig ist dabei die Diskrepanz zwischen Einstellung und Handlung: Während eine Mehrheit der Berater Nachhaltigkeit für wichtig hält, gibt nur ein deutlich geringerer Anteil an, ESG-konforme Produkte aktiv zu empfehlen. Gründe sind unter anderem:
- Mangelnde Transparenz bei ESG-Ratings.
- Angst vor Reputationsrisiken bei „schein-grünen“ Produkten.
- Fehlende Schulungen und Unterstützung durch Produktanbieter.
Greenwashing-Vorwürfe verunsichern
Ein wesentliches Hindernis für eine stabile Weiterentwicklung des nachhaltigen Finanzmarkts bleibt die Sorge um Greenwashing. Die öffentlichkeitswirksamen Debatten über scheinbar „grüne“ Fonds, deren Investments in fossile Energien, Waffenhersteller oder konventionelle Industrien aufgedeckt wurden, haben Spuren hinterlassen. Für viele Anleger ist die Glaubwürdigkeit nachhaltiger Anlageversprechen fraglich geworden.
Der Marktbericht zeigt deutlich, dass sowohl institutionelle Investoren als auch Berater mehr Klarheit und Verlässlichkeit fordern. Die EU-Offenlegungsverordnung und die Taxonomie-Verordnung sollten ursprünglich für mehr Transparenz sorgen – führen in der Praxis aber häufig zu Unsicherheit. Die Klassifizierungen in Artikel 6, 8 und 9 sind zwar etabliert, werden aber nicht überall als zuverlässig wahrgenommen.
Risiken und Chancen des Umbruchs
Der FNG-Marktbericht liefert keine Schwarzmalerei, sondern eine realistische Bestandsaufnahme: Nachhaltige Geldanlagen befinden sich in einem Übergang. Von der Phase euphorischer Expansion wechselt der Markt nun in eine kritischere, regulierte und anspruchsvollere Ära. Vertrauen, Bildung und Verlässlichkeit werden zu entscheidenden Erfolgsfaktoren."
Der FNG-Bericht spricht nicht von einem Rückzug, sondern von einer Konsolidierungsphase. Die aktuellen Herausforderungen könnten zu einer gesunden Marktbereinigung führen. Anbieter, die Nachhaltigkeit als reines Verkaufsargument nutzten, dürften es künftig schwerer haben. Gleichzeitig wächst der Druck, Nachhaltigkeit glaubwürdig, messbar und überprüfbar zu gestalten.
Einige Akteure sehen in der derzeitigen Lage auch eine Chance: Wer jetzt in echte Wirkung investiert, transparente Berichterstattung bietet und Anleger verständlich aufklärt, kann sich differenzieren. Nachhaltigkeit bleibt ein Megatrend – aber sie verlangt mehr denn je nach Substanz statt Schein.
Fazit: Nachhaltigkeit braucht eine neue Erzählung
Der FNG-Marktbericht liefert keine Schwarzmalerei, sondern eine realistische Bestandsaufnahme: Nachhaltige Geldanlagen befinden sich in einem Übergang. Von der Phase euphorischer Expansion wechselt der Markt nun in eine kritischere, regulierte und anspruchsvollere Ära. Vertrauen, Bildung und Verlässlichkeit werden zu entscheidenden Erfolgsfaktoren.
Die Herausforderung liegt darin, Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil langfristiger Anlagestrategien zu etablieren – jenseits von Modewörtern und Marketingversprechen. Die FNG-Daten zeigen: Die Nachfrage ist da. Doch sie muss neu gewonnen, besser erklärt und glaubwürdiger bedient werden.
Freiräume schaffen für ein gutes Leben.