Berücksichtigung der Abgeltungsteuer Strategische Entnahmepläne
Im Aufbau eines Vermögens spielt Steueroptimierung eine wichtige Rolle. Doch mindestens genauso relevant ist sie in der Entnahmephase – also dann, wenn Kapital nach und nach zur Deckung des Lebensunterhalts genutzt wird.
Die Einführung der Abgeltungsteuer hat dabei nicht nur die Ertragsbesteuerung in der Ansparphase verändert, sondern auch neue Spielräume und Herausforderungen für die Entnahmeplanung geschaffen. Wer in der Lage ist, Entnahmen strategisch mit steuerlicher Wirkung zu kombinieren, kann über Jahre hinweg deutliche Vorteile erzielen – vorausgesetzt, er kennt die Regeln und nutzt die Struktur des Steuerrechts bewusst aus.
Die Abgeltungsteuer in der Entnahmephase: Grundmechanik
Bei Kapitalanlagen außerhalb von Rentenversicherungen oder geförderten Altersvorsorgeprodukten fällt die Besteuerung nicht automatisch beim Renteneintritt an, sondern erst bei realisierten Erträgen – etwa durch Ausschüttungen, Zinsgutschriften oder Verkäufe von Wertpapieren mit Kursgewinnen. Die Abgeltungsteuer von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer wird dabei direkt von der depotführenden Stelle einbehalten und ans Finanzamt abgeführt.
Für viele Ruheständler ist das ein wesentlicher Unterschied zu klassischen Rentenversicherungen, bei denen erst bei Auszahlung Einkommensteuer auf einen Teil der Rente erhoben wird. Wer jedoch seine Kapitalanlagen systematisch entnimmt, kann steuerschonende Gestaltungsspielräume nutzen – insbesondere durch bewusste Zeitpunkte, Teilverkäufe und Einbeziehung von Freibeträgen.
Den Sparerpauschbetrag nutzen – jedes Jahr aufs Neue
Ein zentraler Baustein in der Entnahmephase ist der Sparerpauschbetrag, der aktuell bei 1.000 Euro pro Person liegt (2.000 Euro bei Ehepaaren). Dieser Betrag steht jedes Jahr erneut zur Verfügung und schützt Kapitalerträge in entsprechender Höhe vor Abgeltungsteuer – sofern ein Freistellungsauftrag bei der Bank eingerichtet ist.
Gerade bei systematischen Entnahmeplänen kann es sich lohnen, gezielt Verkäufe in einem Umfang zu tätigen, der den Sparerpauschbetrag möglichst vollständig ausschöpft, ohne ihn zu überschreiten. Auch kleinere Entnahmen über mehrere Jahre verteilt können sich so steuerlich deutlich günstiger auswirken als eine einmalige große Veräußerung mit entsprechend höherer Steuerlast.
Thesaurierende Produkte als steuerlich kontrollierbare Quelle
Thesaurierende Fonds und ETFs gelten in der Ansparphase als steuerlich vorteilhaft, da sie Erträge im Fonds belassen und so die Steuerlast zeitlich hinausschieben. In der Entnahmephase wird dieser Effekt umso wertvoller, weil der Anleger selbst bestimmen kann, wann und wie viel er realisiert – durch gezielte Teilverkäufe von Fondsanteilen.
Ein großer Vorteil: Nur der tatsächlich realisierte Kursgewinn unterliegt der Abgeltungsteuer. Der investierte Anteil des Verkaufserlöses (die sogenannten Anschaffungskosten) bleibt steuerfrei. So können Anleger auch bei größeren Entnahmen durch geschickte Gestaltung die steuerpflichtigen Anteile reduzieren – insbesondere, wenn die Fonds lange gehalten wurden und bereits einen Teil der Erträge über Vorabpauschalen versteuert wurde.
Gestaffelte Entnahmen statt Einmalverkauf
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Ein häufiger Fehler in der Praxis besteht darin, Kapitalanlagen in einem einzigen Schritt aufzulösen – etwa beim Eintritt in den Ruhestand oder beim Wechsel des Anlagekonzepts. In der Folge entsteht eine hohe Steuerlast in einem einzelnen Jahr, die sich durch zeitlich gestreckte Verkäufe vermeiden ließe.
Die bessere Strategie: Ein Entnahmeplan, der Kapital in monatlichen, quartalsweisen oder jährlichen Schritten realisiert, ermöglicht eine Verteilung der steuerpflichtigen Erträge über mehrere Jahre. Dadurch lassen sich:
- Freibeträge jährlich erneut nutzen
- Steuerprogression vermeiden
- Marktvolatilität in der Verkaufsentscheidung berücksichtigen
Wer beispielsweise nur so viel entnimmt, wie zur Deckung des tatsächlichen Liquiditätsbedarfs notwendig ist, kann Kapital länger im Markt lassen – und dabei steuerlich kontrolliert realisieren.
Steuerplanung und Liquiditätsbedarf in Einklang bringen
Wer Kapital aufbaut, muss auch wissen, wie er es effizient nutzt. Die Abgeltungsteuer schafft einen klaren Rahmen, innerhalb dessen jedoch vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten existieren. Ein strategisch geplanter Entnahmeplan berücksichtigt nicht nur den Liquiditätsbedarf, sondern auch steuerliche Effekte – vom Sparerpauschbetrag über Teilverkäufe bis zur Günstigerprüfung."
In der Praxis ist die steuerliche Optimierung nur dann sinnvoll, wenn sie zum tatsächlichen Lebensbedarf passt. Ein Entnahmeplan muss daher immer finanziell tragfähig sein, bevor er steuerlich effizient sein kann. Dennoch sollte die steuerliche Perspektive nicht ignoriert werden, denn sie beeinflusst die Nettoauszahlung zum Teil erheblich.
Gerade bei größeren Vermögen kann es sinnvoll sein, steuerliche Beratung in die Planung einzubeziehen, um zwischen verschiedenen Einkunftsarten (Kapitalerträge, Renten, Mieteinnahmen) gezielt zu gewichten – etwa durch Verschiebung von Kapitalentnahmen in steuerlich günstigere Jahre, Nutzung von Verlustverrechnungstöpfen oder Koordination mit anderen steuerfreien Einkünften.
Entnahme im Ruhestand: Günstigerprüfung kann sinnvoll sein
Für viele Ruheständler liegt der persönliche Einkommensteuersatz unter dem pauschalen Satz der Abgeltungsteuer. In diesen Fällen kann es sich lohnen, im Rahmen der Steuererklärung eine Günstigerprüfung zu beantragen. Hierbei prüft das Finanzamt, ob die reguläre Einkommensteuerlast auf die Kapitalerträge unterhalb der bereits gezahlten Abgeltungsteuer liegt – in diesem Fall wird die Differenz erstattet.
Diese Möglichkeit ist besonders bei sehr geringen Gesamteinkünften im Ruhestand interessant und sollte bei systematischen Entnahmen regelmäßig geprüft werden. Sie bietet einen potenziellen Rückfluss zu viel gezahlter Steuern – auch ohne Änderung der Entnahmestrategie.
Fazit: Entnahme ist mehr als Auszahlung – sie ist Gestaltung
Wer Kapital aufbaut, muss auch wissen, wie er es effizient nutzt. Die Abgeltungsteuer schafft einen klaren Rahmen, innerhalb dessen jedoch vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten existieren. Ein strategisch geplanter Entnahmeplan berücksichtigt nicht nur den Liquiditätsbedarf, sondern auch steuerliche Effekte – vom Sparerpauschbetrag über Teilverkäufe bis zur Günstigerprüfung.
Langfristig erfolgreich ist nicht, wer alles auf einmal entnimmt, sondern wer klug portioniert – und die Steuerstruktur des Vermögens als integralen Teil seiner Ruhestandsplanung begreift. Eine einmal gewählte Strategie darf dabei durchaus flexibel bleiben – so wie das Leben selbst.
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