Hat die EZB sich verzockt? Vertrauen in die Zukunft leidet
Seit fast anderthalb Jahren flutet die EZB die Märkte mit ihrem Anleiheaufkaufprogramm. Noch einige Monate länger bewegt sich der Leitzins im Euro-Raum auf Null-Niveau und die Banken müssen für ihre Einlagen bei der Notenbank Negativzinsen in Kauf nehmen. Das Ziel dieser lockeren Geldpolitik soll die Ankurbelung der Wirtschaft in den Euro-Ländern sein - bisher ohne wirklichen Erfolg.
Der Gedanke, der hinter Mario Draghis Strategie steht, scheint vordergründig einleuchtend. Das billige Geld soll es einfacher machen, Kredite aufzunehmen, um zu investieren und zu konsumieren. Gleichzeitig soll Sparen unattraktiver werden, so dass weniger Geld gehortet und stattdessen ebenfalls ausgegeben wird. Die damit verbundenen Nebeneffekte - Entschuldung von Staaten und positive Export-Impulse dank der bewirkten Euro-Schwäche - sind durchaus gewollt.
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Erfolge des billigen Geldes bleiben aus
Aber trotz zwischenzeitlich erfolgter nochmaliger Ausweitung des Anleiheaufkaufprogramms und immer weiterer Ausbreitung von Negativzinsen ist ein durchschlagender Erfolg nicht erkennbar. Zwar befindet sich die Wirtschaft in der Eurozone nicht mehr in der Rezession, doch ein nachhaltiges und kräftiges Wachstum hat sich bisher nicht eingestellt. Im letzten Jahr wuchs die Wirtschaft der Euro-Staaten gerade mal um 1,7 Prozent und aktuell zeichnet sich schon wieder eine Abschwächung ab.
Vor allem die beiden großen Volkswirtschaften Frankreichs und Italiens kommen nicht aus ihren strukturellen Schwächen heraus und wirken als Bremser. Bis dato kann die EZB daher allenfalls für sich reklamieren, mit ihrer Geldpolitik Schlimmeres verhindert zu haben, indem kein Abrutschen in Deflation und Negativ-Wachstum stattfand. Doch wirklich befriedigend ist das nicht.
Frankreich und Italien kommen nicht aus ihren strukturellen Schwächen heraus und wirken als Bremser."
Wenn Niedrigzinsen zu mehr Sparen führen
Woran liegt es, dass die Rezeptur offenbar kaum wirkt? Tatsächlich schlägt sich das von der EZB "gedruckte" viele Geld nicht in einer markant höheren Nachfrage und Investitionstätigkeit nieder. Stattdessen wird Geld trotz Mini- oder sogar Negativzinsen weiter gehortet. In Deutschland zum Beispiel ist bisher keine gravierende Änderung des Sparverhaltens zu erkennen, es wird zum Teil sogar mehr gespart. Das ist das Gegenteil dessen, was die EZB bezweckt, aber letztlich auch eine Konsequenz ihres Handelns.
Wenn die Zinsen verfallen, gehen viele Kalküle zur Altersvorsorge nicht mehr auf. Wer von seinem Vermögen im Alter leben will, muss mehr sparen, um bei niedrigen Zinsen das gleiche Ergebnis zu erreichen. Nicht anders geht es Unternehmen, Pensionsfonds und -kassen, die bestimmte Pensionsverpflichtungen bedienen müssen. Ein weiterer Effekt kommt hinzu: Negativzinsen und ausbleibende Erfolge wirken nicht vertrauensbildend. Und Unsicherheit war schon immer ein Grund, einen "Notgroschen" zurückzulegen. Es scheint, dass die EZB sich in ihren eigenen Fallstricken verfangen hat.