Finanzlexikon Wenn sich Experten irren
Berühmte Fehlprognosen aus der Finanzgeschichte.
In der Welt der Finanzen genießen sogenannte „Experten“ einen besonderen Status. Ihre Meinung zählt, ihre Einschätzungen prägen Märkte, beeinflussen Medien und bewegen Milliarden. Doch Expertise ist kein Garant für Treffsicherheit. Im Gegenteil: Gerade die größten Irrtümer der Finanzgeschichte stammen oft von den renommiertesten Stimmen.
Fehlprognosen sind kein Nebengeräusch – sie sind Bestandteil der Finanzwelt. Sie entstehen aus Selbstüberschätzung, Modellgläubigkeit oder politischem Druck. Und sie zeigen: Auch dort, wo vermeintlich Wissen regiert, ist Unsicherheit die Regel, nicht die Ausnahme.
Fallbeispiele spektakulärer Fehleinschätzungen
Nicht blenden lassen – und immer die Frage stellen, was passiert, wenn alles anders kommt. Denn oft genug kommt es genau so."
Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte offenbart zahlreiche Vorhersagen, die mit voller Überzeugung getroffen wurden – und doch grandios scheiterten:
„Aktien haben eine dauerhaft hohe Ertragskraft.“
Diese Aussage stammt von Irving Fisher, einem der renommiertesten Ökonomen seiner Zeit – im Oktober 1929. Nur wenige Tage später begann der schlimmste Börsencrash des 20. Jahrhunderts. Die Weltwirtschaftskrise folgte.
„Die Hauspreise in den USA können nie flächendeckend fallen.“
Ein weitverbreiteter Konsens unter US-Ökonomen, Bankern und Ratingagenturen bis 2006. Der Irrtum kostete Abermilliarden und war der Ausgangspunkt der globalen Finanzkrise 2008.
„Das Internet ist ein Hype, der bald vorbei ist.“
Ein Zitat aus den späten 1990er-Jahren, das heute kaum noch zu glauben ist. Dennoch war diese Meinung – auch unter etablierten Ökonomen und Medien – weit verbreitet. Die Dotcom-Blase platzte, aber das Internet blieb. Und wurde zur Grundlage für einige der wertvollsten Unternehmen der Welt.
„Inflation bleibt dauerhaft niedrig.“
Ein Versprechen vieler Zentralbanken nach der Finanzkrise. Jahrzehntelang schien es plausibel – bis 2021. Lieferkettenprobleme, Energiepreise, expansive Geldpolitik und geopolitische Spannungen führten zu Inflationsraten, die in den Jahren zuvor kaum jemand für möglich hielt.
Warum sich selbst kluge Köpfe so oft irren
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Fehlprognosen entstehen nicht immer aus Inkompetenz.
Häufig sind sie das Resultat aus drei miteinander verknüpften Denkfehlern:
- Lineares Denken in nichtlinearen Systemen: Viele Modelle gehen davon aus, dass Entwicklungen sich fortschreiben lassen. Doch Finanzmärkte sind anfällig für Sprünge, Brüche und Kettenreaktionen.
- Modell-Gläubigkeit und Datenabhängigkeit: Komplexe Modelle erzeugen scheinbare Präzision – doch sie reagieren sensibel auf falsche Eingangsparameter. Wenn diese nicht stimmen, versagt das ganze System.
- Gruppendenken und Konsensdruck: Je größer der institutionelle Kontext, desto geringer ist oft die Bereitschaft zur Abweichung. Viele Analysten richten sich nach dem Konsens – und dieser kann kollektiv falsch liegen.
Wenn Fehlprognosen zum Systemproblem werden
Besonders kritisch wird es, wenn Prognoseirrtümer nicht als solche erkannt, sondern verteidigt oder relativiert werden. Das war während der Finanzkrise 2008 ebenso zu beobachten wie in der Euro-Schuldenkrise oder zuletzt bei der Inflationsentwicklung.
Zudem birgt die Autorität großer Namen ein Risiko: Je etablierter eine Stimme, desto schwerer wiegt ihr Irrtum – und desto größer kann der Schaden sein. Wer sich zu sehr auf institutionelle Autoritäten verlässt, verliert mitunter den Blick für alternative Szenarien.
Lernen aus den Irrtümern – aber wie?
Fehlprognosen sind nicht vermeidbar – aber man kann aus ihnen lernen. Die wichtigste Erkenntnis: Zukunft bleibt unsicher. Und gerade deshalb sind Risikostreuung, Szenariodenken und Demut in der Finanzanlage unverzichtbar.
Wer auf absolute Aussagen verzichtet und stattdessen Wahrscheinlichkeiten denkt, reduziert das Risiko von Fehlentscheidungen. Und wer sich nicht auf eine einzige Quelle verlässt, sondern verschiedene Perspektiven vergleicht, bleibt handlungsfähig – auch wenn sich die Welt anders entwickelt als erwartet.
Fazit: Irren ist normal – kritisches Denken Pflicht
Die Geschichte der Finanzwelt ist reich an Fehleinschätzungen. Das entwertet Prognosen nicht – aber es fordert mehr Bescheidenheit, mehr Transparenz über Unsicherheiten und mehr Aufmerksamkeit für alternative Szenarien.
Für Anleger heißt das: Nicht blenden lassen – und immer die Frage stellen, was passiert, wenn alles anders kommt. Denn oft genug kommt es genau so.

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