Über die Aussagekraft der Zinsentwicklung für zehnjährige Staatsanleihen gibt es hochwissenschaftliche und widersprüchliche Theorien

Renditen von Staatsanleihen Der Markt für Lemminge

Über die Aussagekraft der Zinsentwicklung für zehnjährige Staatsanleihen gibt es hochwissenschaftliche und widersprüchliche Theorien. Allerdings unterliegen die Zinssätze zahlreichen verzerrenden Einflüssen, der sogenannte Herdentrieb darf nämlich vor allem hier nicht unterschätzt werden.

In erster Linie wird die Entwicklung der Renditen der langfristigen Staatsanleihen der Geldpolitik der jeweiligen Zentralbank zugeschrieben. Dass es hier durchaus Zusammenhänge gibt, zeigt sich insbesondere bei der Ankündigung von Strategieänderungen, wie zum Beispiel der Erhöhung oder Absenkung von Leitzinsen. Allerdings sind sich die Experten auch darüber einig, dass es weitere Einflüsse geben muss.

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Die Macht der Lemminge - Versicherungen bleiben konservativ

Eine Untersuchung des Anlageverhaltens deutscher Versicherungsgesellschaften ab dem Jahr 2014, in dem das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgenommen wurde, räumt mit einem Trugschluss auf: Eine der gängigen Annahmen lautete nämlich, dass Anleger beim Sinken der Verzinsung sicherer Investments ihre Strategie ändern und bevorzugt riskantere Alternativen mit höheren Renditen wählen würden - weit gefehlt.

Deutsche Versicherer konzentrierten sich im Analysezeitraum weiter auf sichere Staatsanleihen, die naturgemäß eine extrem niedrige Rendite erwirtschaften. Angesichts der deutlich höheren garantierten Verzinsung, die sie für viele ältere Lebens- und Rentenversicherungsverträge noch ausschütten müssen, mag dieses Verhalten zunächst widersinnig anmuten. Um die aufklaffende Finanzierungslücke auch nur annähernd schließen zu können, erhöhten sie nämlich noch den Bestand an niedrig verzinsten sicheren Papieren - und sorgten so selbst dafür, dass deren Renditen noch weiter sinken.

Prozyklisches Anlegen - Verstärkung vorhandener Trends

Dieses Herdenverhalten wird regelmäßig auf den Finanzmärkten beobachtet und als prozyklisch bezeichnet: Steigen die Preise, dann kaufen diese Anleger  - und umgekehrt. Damit wird ein bereits vorhandener Trend noch verstärkt und verzerrt somit das Gesamtbild. Aber nicht nur deutsche Versicherungen verfolgen diese Strategie, mit der sie ihre langfristigen Zusagen realisieren wollen, auch in anderen europäischen Ländern gehen die Versicherungskonzerne auf Nummer sicher. Lediglich die Pensionsfonds, die bei Bedarf ihre Leistungen kürzen können, scheren aus.

Steigen die Preise, dann kaufen Versicherungen  - und umgekehrt. Damit wird ein bereits vorhandener Trend noch verstärkt.

Diese Marktteilnehmer wurden in Großbritannien näher beleuchtet und auch hier zeichnet sich ein ausgeprägtes Herdenverhalten ab: Private britische Pensionsfonds folgen anderen privaten Anbietern, staatliche wiederum anderen staatlichen Versorgungseinrichtungen - Risiken scheint hier keiner der Beteiligten eingehen zu wollen. 

Schon vor diesem Hintergrund sind die teilweise überzogenen Reaktionen am Anleihemarkt mit Vorsicht zu genießen und in der Analyse nicht zu überbewerten. Wichtig ist das Verständnis darum, dass auch die Renditen für langfristige Staatsanleihen im Wesentlichen durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden: Stoßen institutionelle Anleger bislang als sicher eingeschätzte Papiere wegen sich anbahnender Risiken in Masse ab, sinken deren Renditen wegen des Verkaufsdrucks - allen Risikoaufschlägen zum Trotz.

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