Man sollte die Schwellenländer nicht "über einen Kamm" scheren

Ist die Türkei erst der Anfang Krise in den Schwellenländern?

Der Absturz der türkischen Lira in der ersten August-Hälfte hat Fragen über die wirtschaftliche Zukunft des Landes am Bosporus aufgeworfen. Der bemerkenswerte wirtschaftliche Aufstieg der Türkei in den letzten 15 Jahren könnte womöglich ein jähes Ende finden.

Und wie immer in solchen "Schock-Situationen" richtet sich der Blick auch auf andere Länder, die ähnlich wie die Türkei an der Schwelle zum entwickelten Industriestaat stehen. Tatsächlich verlieren einige wichtige Schwellenländer-Währungen bereits seit Monaten gegenüber dem US-Dollar an Wert. Die Kursverluste der Lira waren dabei zuletzt besonders dramatisch, aber keineswegs einzigartig.

Nicht über einen Kamm scheren 

Bezogen auf Anfang 2017 hat der argentinische Peso sogar noch stärker an Wert verloren. Andere Währungen wie mexikanischer Peso, brasilianischer Real, chinesischer Renminbin, russischer Rubel, südafrikanischer Rand, die indonesische und die indische Rupie haben durchweg ebenfalls nachgegeben, aber nicht so gravierend. Auffällig dabei: der Abstieg hat sich bei allen Währungen parallel zum von den USA losgetretenen internationalen Handelsstreit verstärkt. Spiegelbildlich sind auch die Aktienkurse in den Schwellenländer-Börsen gefallen. Beides ist nicht gerade ein Vertrauenssignal.  

Dennoch sollte man die Schwellenländer nicht "über einen Kamm" scheren. Jedes Land hat seine spezifische Situation. Der verheerende Lira-Absturz ist zu einem guten Teil auf den eskalierenden politischen Konflikt mit den USA wegen eines in der Türkei festgehaltenen amerikanischen Pastors zurückzuführen. Russland leidet unter verschärften US-Sanktionen, was sich auch im Rubel-Kurs zeigt. Im Falle China sind die amerikanischen Strafzölle ein Belastungsfaktor für die Exportwirtschaft. Die Liste ließe sich individuell für jedes Land fortsetzen. 

Schwellenländer gehören tendenziell wirtschaftlich zu den Verlierern bei Handelskonflikten mit den USA."

Eine mögliche doppelte Belastung 

Fakt ist, dass der Dollar auch gegenüber dem Euro oder dem Yen seit Jahresbeginn stärker geworden ist. Das ist der nach wie vor sehr robusten US-Konjunktur, aber auch der restriktiveren Geldpolitik der Fed mit steigenden Zinsen geschuldet. Der Dollar ist gefragt wie lange nicht und hat durch den Handelsstreit eher gewonnen als verloren. Stattdessen sind die Unsicherheiten bezüglich der weiteren weltwirtschaftlichen Entwicklung gewachsen. 

Schwellenländer sind davon in doppelter Weise betroffen. Sie gehören tendenziell wirtschaftlich zu den Verlierern bei Handelskonflikten mit den USA. Zudem drücken in einigen Ländern - zum Beispiel Argentinien und Türkei - hohe Auslandsschulden in US-Dollar. Aus dieser zweifachen Belastung resultiert die eigentliche Krisengefahr für Schwellenländer.

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