Der Krieg auf europäischem Boden hat die zivile Selbstverständlichkeit des Friedens erschüttert

Nächste Milliarden-Marke Rüstungs-ETF

Was noch vor wenigen Jahren für viele Anleger ein ethisches Tabuthema war, entwickelt sich zunehmend zu einem anerkannten Anlagesegment: börsengehandelte Fonds (ETFs), die gezielt in die Rüstungs- und Verteidigungsindustrie investieren. Ein besonders prominenter Vertreter dieser Produktkategorie hat nun die nächste Milliarden-Marke überschritten – nur etwas mehr als zwei Jahre nach seiner Auflage.

Dieser schnelle Mittelzufluss ist nicht nur Ausdruck eines veränderten Anlegerverhaltens, sondern auch Spiegel eines geopolitischen und wirtschaftlichen Strukturwandels. Verteidigung, Sicherheit und strategische Unabhängigkeit sind zu handlungsleitenden Faktoren geworden – in der Politik ebenso wie in der Kapitalanlage.


Vom Randphänomen zum Investmenttrend

Lange Zeit führten Verteidigungstitel ein Nischendasein in der Finanzwelt.

Viele institutionelle Investoren – vor allem solche mit ESG-Mandat – schlossen Rüstungsunternehmen kategorisch aus ihren Portfolios aus.

Waffenhersteller galten als moralisch problematisch, Sicherheitsfragen als politische Angelegenheit, nicht als Investitionsthema.

Diese Sichtweise hat sich spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 grundlegend verändert.

Der Krieg auf europäischem Boden hat die zivile Selbstverständlichkeit des Friedens erschüttert und die Diskussion über Verteidigungsausgaben und Rüstungsinvestitionen neu entfacht – auch in der Finanzwelt.

Seitdem beobachten Marktbeobachter einen deutlichen Zuwachs an thematischen Fonds, die gezielt in Verteidigung, Cybersicherheit oder militärische Infrastruktur investieren.

Einige dieser ETFs – vor allem aus den USA, aber zunehmend auch aus Europa – erreichen innerhalb kürzester Zeit ein Volumen, das sie zu Schwergewichten unter den Themen-ETFs macht.


Milliardenvolumen nach zwei Jahren: Ein Fonds als Beispiel

Der nun besonders im Fokus stehende Rüstungs-ETF wurde vor gut zwei Jahren gestartet – zunächst mit verhaltenem Medienecho. Heute verwaltet er ein Vermögen von über einer Milliarde Euro, Tendenz steigend. Die Zahl der Halter reicht von institutionellen Investoren über Family Offices bis hin zu privaten Anlegern, die gezielt in die geopolitischen Realitäten der Gegenwart investieren möchten.

Was den Fonds besonders attraktiv macht:

  • Er bietet eine klare thematische Fokussierung, die Anlegern Orientierung bietet.
  • Er investiert in Unternehmen, die von der Aufrüstung und Neuausrichtung westlicher Sicherheitsarchitekturen profitieren.
  • Er berücksichtigt nicht nur klassische Waffenhersteller, sondern auch Zulieferer, IT-Sicherheitsfirmen und Anbieter kritischer Infrastruktur.

Die Indexzusammensetzung folgt einer regelbasierten Auswahl – etwa durch Gewichtung nach Marktkapitalisierung, Umsatzanteilen im Verteidigungsgeschäft oder ESG-Ausschlüssen für kontroverse Waffenarten.


Kapitalmarktnähe und sicherheitspolitische Realität

Der Erfolg solcher ETFs liegt nicht allein in ihrer Performance, sondern auch in ihrer Anschlussfähigkeit an die öffentliche Debatte. In zahlreichen NATO-Staaten – darunter Deutschland – wurde die jahrzehntelange Zurückhaltung bei Verteidigungsausgaben aufgegeben. Sondervermögen, strategische Beschaffungsprogramme und langfristige Modernisierungspläne machen deutlich: Verteidigung wird politisch wie ökonomisch neu priorisiert.

Diese Entwicklung wird von den Kapitalmärkten antizipiert. Viele börsennotierte Rüstungsunternehmen verzeichneten seit 2022 deutliche Kursanstiege – getragen nicht nur von steigenden Aufträgen, sondern auch von wachsendem Anlegerinteresse. Verteidigung gilt zunehmend nicht als moralisches Problem, sondern als politische Notwendigkeit – und damit auch als wirtschaftlich legitimer Sektor.

Zugleich rücken ethische Fragen in ein neues Licht. Während früher die Investition in Waffenhersteller als grundsätzlich unvereinbar mit nachhaltigem Anlegen galt, differenzieren heute viele Anleger zwischen angreifender und verteidigender Rüstung. Die Frage lautet nicht mehr: „Waffen – ja oder nein?“ Sondern: „In wessen Hände, zu welchem Zweck und mit welcher Kontrolle?“


ETF-Strukturen und Anlegerprofile

Der durchschlagende Erfolg des jüngsten Rüstungs-ETFs steht sinnbildlich für eine tiefgreifende Verschiebung im Verhältnis zwischen Politik, Finanzmarkt und öffentlicher Wahrnehmung. Was früher Ausgrenzung erfuhr, wird heute als strategisches Element betrachtet – wirtschaftlich, sicherheitspolitisch und zunehmend auch normativ."

Der Rüstungs-ETF, der nun die Milliardenmarke überschritten hat, ist ein klassisch strukturierter Indexfonds, der passiv einen maßgeschneiderten Branchenindex abbildet. Seine Handelbarkeit an der Börse, seine geringen laufenden Kosten und seine Transparenz machen ihn für eine breite Zielgruppe zugänglich.

Besonders auffällig ist, dass sich das Anlegerprofil stark verändert hat. Neben professionellen Investoren, die das Segment als strategische Beimischung nutzen, entdecken auch immer mehr Privatanleger sicherheitspolitische Themen als Investmentchancen. Dabei spielen geopolitische Entwicklungen, aber auch mediale Debatten eine Rolle – etwa um China, Taiwan, KI im Militär oder Cyberkriminalität.

Diese Entwicklung birgt auch Risiken: Themen-ETFs reagieren oft stärker auf politische Nachrichten, Branchentrends und regulatorische Entwicklungen. Ihre Konzentration auf bestimmte Sektoren macht sie volatiler als breite Marktindizes – eine Tatsache, die von Anlegern bei der Allokation berücksichtigt werden sollte.


Einordnung in die ESG-Debatte: Werte, Wandel, Widersprüche

Besonders spannend ist die Integration von Verteidigungstiteln in den Rahmen nachhaltiger Geldanlage. Die ESG-Debatte ist in Bewegung. War „E wie Environment“ lange das dominante Kriterium, rückt nun „S wie Sicherheit“ zunehmend ins Zentrum.

Einige ESG-Ratingagenturen beginnen, zwischen Offensiv- und Defensivkapazitäten zu unterscheiden. Auch die EU-Kommission diskutiert in ihrem Taxonomie-Rahmen, ob bestimmte Verteidigungsausgaben als „nachhaltig“ gelten können – etwa zur Unterstützung friedenssichernder Maßnahmen oder Schutz demokratischer Werte.

Dies markiert einen Paradigmenwechsel, der weit über die ETF-Welt hinausreicht. Er stellt die Grundannahme in Frage, dass Rüstung per se unethisch sei – und öffnet die Tür für neue Normensysteme, in denen Sicherheit, Resilienz und strategische Souveränität als Elemente von Nachhaltigkeit gelten.


Fazit: Rüstungs-ETFs als Ausdruck geopolitischer Realität

Der durchschlagende Erfolg des jüngsten Rüstungs-ETFs steht sinnbildlich für eine tiefgreifende Verschiebung im Verhältnis zwischen Politik, Finanzmarkt und öffentlicher Wahrnehmung. Was früher Ausgrenzung erfuhr, wird heute als strategisches Element betrachtet – wirtschaftlich, sicherheitspolitisch und zunehmend auch normativ.

Dass ein verteidigungsorientierter ETF in nur zwei Jahren ein Milliardenvolumen erreicht, ist Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses: Anleger wollen nicht nur Rendite, sondern Sinn in der Struktur der Welt, wie sie tatsächlich ist – nicht, wie sie idealerweise sein sollte.

In diesem Spannungsfeld bewegen sich die Rüstungs-ETFs weiter – zwischen Investment und Ideologie, zwischen Risiko und Stabilität, zwischen Marktmechanik und moralischer Neujustierung.

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