85% aller deutschen Staatsanleihen mit negativer Rendite, trotzdem Alle wollen Bundesanleihen
Vor wenigen Tagen ist die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen erstmals unter die Nullmarke gerutscht. Damit erhalten Anleger auch bei diesen Papieren unter dem Strich weniger Geld zurück, als sie investiert haben. Der Nachfrage tut das aber keinen Abbruch.
Bei kürzer laufenden Bundesanleihen haben sich Negativrenditen mittlerweile fast schon zum Normalzustand entwickelt. Dass das auch bei den "Zehnjährigen" passieren könnte, hatte sich ebenfalls schon abgezeichnet. Denn die Rendite näherte sich bereits seit Längerem dem Nullpunkt zu. Damit wurde auch hier letztlich nur die allgemeine Marktzinsentwicklung mitvollzogen - insofern keineswegs eine Überraschung.
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EZB-Aktivitäten und Unsicherheiten drücken Rendite
Warum findet der "Rutsch ins Negative" ausgerechnet jetzt statt? Es gibt dafür verschiedene Ursachen. Zum einen spielt natürlich die anhaltende Niedrigzinspolitik der EZB eine wichtige Rolle. Hinzu kommt, dass die Euro-Notenbank im Verein mit anderen europäischen Zentralbanken das Anleiheaufkaufprogramm forciert umsetzt. Die EZB und ihre Partner weichen dabei verstärkt auf längerfristige Papiere aus, seit die Renditen kürzerfristiger Anleihen sogar unter dem negativen EZB-Einlagenzins gesunken sind. Diese vermehrte Nachfrage drückt die Rendite jetzt weiter nach unten. Ein zusätzlicher Einflussfaktor ist die Unsicherheit im Zusammenhang mit dem drohenden Brexit. Niemand wagt derzeit Voraussagen über den Ausgang der Abstimmung in Großbritannien und seine Folgen. In solchen unsicheren Zeiten werden Aktien gescheut, Anleihen sind dagegen als "sicherer Hafen" besonders gefragt. Dies erklärt den Kursanstieg bei diesen Papieren, der gleichbedeutend mit einem Renditeverfall ist.
Es gibt darüber hinaus aber auch Faktoren, die jenseits der aktuellen Situation dafür sorgen, dass Bundesanleihen begehrt sind. Deutsche Staatspapiere sind wegen ihrer erstklassigen Bonität immer ein sicheres Investment. Das kann längst nicht jede Staatsanleihe von sich behaupten. Andere Notenbanken nutzen Bundesanleihen, um ihre eigene Währung zu stabilisieren.
Deutsche Staatspapiere sind wegen ihrer erstklassigen Bonität immer ein sicheres Investment."
So kauft die Schweizer Notenbank im großen Stil, um eine Frankenaufwertung zu verhindern. Asiatische Notenbanken haben dagegen zuletzt mehr verkauft, um die eigenen Währungen zu stützen und ihr Portfolio zu diversifizieren. Ausländische Einflüsse sind überhaupt bei der Renditeentwicklung nicht zu unterschätzen, denn nur 15 Prozent der deutschen Staatspapiere befinden sich in inländischem Besitz, mehr als die Hälfte davon - mit einem Gesamtanteil von acht Prozent - hält die Bundesbank.
Milliarden-Vorteile für den Finanzminister
Der jüngste Renditeverfall hat dafür gesorgt, dass mittlerweile 85 Prozent des Bundesanleihe-Volumens einen Minusertrag erbringt. In absoluten Zahlen betrifft das Papier einen Wert von 1,15 Billionen Euro. Nichstdestotrotz hat die Deutsche Finanzagentur, die im Auftrag des Bundes die Anleihen platziert, keine Probleme, die Papiere abzusetzen. Und der Finanzminister darf sich weiter über jährliche Zinsersparnisse in Milliardenhöhe freuen.