Die Deutschen haben selbst Schuld Nur 6,5% des Geldvermögens in Aktien
Noch nie gab es auf Spar- und Einlagenkonten bei Banken so wenige Zinsen wie zurzeit. Dank der fortgesetzten lockeren Geldpolitik der EZB nähern sich die Zinssätze dem Nullniveau, vereinzelt liegen sie sogar schon darunter. Das hält die Deutschen nicht davon ab, weiter auf verzinsliche Anlagen zu setzen, Aktien sind dagegen nach wie vor verpönt.
Gerade einmal 6,5 Prozent des Geldvermögens ist hierzulande in Aktien angelegt. Das ist im europäischen Vergleich besonders wenig, wie der aktuell von der Allianz vorgelegte Weltreichtumsbericht verdeutlicht. Nur die Österreicher zeigen sich mit 4,5 Prozent Anteil noch zurückhaltender. Am aktienfreudigsten sind die Finnen, die ein Drittel ihres Geldvermögens an der Börse investieren, gefolgt von Spaniern (22 Prozent) und Franzosen (14 Prozent). Auf Bankkonten halten die Deutschen dagegen 40 Prozent ihres Geldvermögens.
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Deutsche haben auf 200 Milliarden Euro verzichtet
Diese konservative Haltung macht sich bei den Renditen bemerkbar. Während die Deutschen im Schnitt bei Vermögensanlagen in den letzten vier Jahren eine Rendite von 3,4 Prozent erzielten, erreichten finnische Anleger 8,5 Prozent. Dieser bemerkenswerte Unterschied ist in erster Linie dem größeren Aktienanteil geschuldet. Denn die Geldpolitik der EZB kam vor allem den Aktienmärkten zugute. Die freie Liquidität trieb die Kurse an den Börsen.
Worauf deutsche Anleger beim Beharren auf verzinslichen Anlageformen verzichten, macht eine einfache Rechnung deutlich. Wäre nur ein Viertel des Vermögens auf den kaum noch verzinsten Bankkonten in Aktien investiert worden, hätte in den letzten vier Jahren ein Mehrwert von 200 Milliarden Euro erzielt werden können. Das konservative Anlageverhalten führt offensichtlich zu Vermögensschäden.
Am aktienfreudigsten sind die Finnen, die ein Drittel ihres Geldvermögens an der Börse investieren."
Die Wirksamkeit der EZB-Politik
Dabei gehen die Meinungen über die Wirksamkeit der EZB-Geldpolitik auseinander. Bisher ist es jedenfalls nicht zu einem nachhaltigen konjunkturellen Aufschwung gekommen. Trotz der gewaltigen Geldmengenausweitung gibt es kaum Anzeichen für Inflation und die Wirtschaft in wichtigen Euro-Ländern wie Frankreich oder Italien kämpft weiter mit strukturellen Problemen. Viele Volkswirte bezweifeln überhaupt, dass Geldpolitik dazu geeignet ist, nachhaltige konjunkturelle Effekte auszulösen. EZB-Chef Draghi reklamiert dagegen für sich, mit seiner Geldschwemme zumindest Schlimmeres verhütet zu haben.
Unstrittig ist dagegen, dass die lockere Geldpolitik mit Niedrigstszinsen Verteilungswirkungen hat. Sie führt nicht nur zu einer Umverteilung von Vermögen zu Lasten von Sparern und zugunsten von Schuldnern. Sie bewirkt auch, dass schon Vermögende eher profitieren als weniger Begüterte. Denn es sind vor allem die unteren und mittleren Einkommensschichten, die ihr Geld verzinslich anlegen. Wer reicher ist, zeigt sich risikobereiter und setzt auf Wertpapiere - auch auf Aktien. Ein Umdenken wäre zu wünschen.
Autor: Jürgen E. Nentwig, juergen.nentwig@gfmsnentwig.de