Ist der anhaltende ETF-Boom eine Gefahr für das Finanzsystem?

Renaud de Planta, Teilhaber der Privatbank Pictet ETFs können sehr gefährlich sein

Renaud de Planta ist Gesellschafter der Schweizer Vermögensverwaltung und Privatbank Pictet, die sich auf Wealth Management für (sehr) vermögende Privatkunden und institutionelle Anleger ausgerichtet hat. In dieser Funktion beobachtet er die Entwicklungen an Finanzmärkten sehr genau und hat eine dezidierte Meinung zu ETFs.

Jetzt hat de Planta in einem FAZ-Interview eine kritische Bewertung von ETFs vorgenommen. Er sieht im anhaltenden ETF-Boom sehr ernsthafte Gefahren für das ganze Finanzsystem. Der anhaltende Run auf Indexfonds führe zu Fehlentwicklungen, die die normale Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte ernsthaft bedrohten.

Die schiere Marktmacht von ETFs 

Es sind dabei nicht ETFs an sich, die de Planta Sorgen machen. Deren Konstruktions-Prinzip - die Index-Nachbildung in Verbindung mit passivem Investieren - wird nicht in Frage gestellt. Seine Kritik entzündet sich vielmehr an der Marktmacht von Indexfonds. Weltweit sollen inzwischen fast vier Billionen Euro in ETFs investiert sein; in Europa wurde die Schwelle von einer halben Milliarde Euro längst überschritten. De Planta sieht drei Negativ-Effekte in diesem Zusammenhang: 

  • höhere Kursvolatilitäten
  • geringere Marktwirksamkeit 
  • Verzerrungen im Wettbewerb

Das soll ETFs gefährlich machen 

Das Argument mit der höheren Volatilität gründet auf dem bei ETFs eingebauten Investitions-Automatismus. Die dem Fonds zufließenden Mittel müssen immer in die im jeweiligen Bezugs-Index enthaltenen Titel investiert werden. In Zeiten eines starken Mittelzuflusses bewirke das einen entsprechenden Nachfrageschub, der die Kurse treibe. Umgekehrt verhalte es sich bei Mittelabflüssen. 

Die geringere Marktwirksamkeit wird mit einer gewissen "Schläfrigkeit" des passiven Fondsmanagements begründet. Da es um eine reine Indexnachbildung geht, bestehe ein geringeres Interesse, den hinter Aktien stehenden Unternehmen "auf die Finger zu schauen" und als Investor Druck zu machen. Darunter leide die Funktionsfähigkeit des Marktes insgesamt. Die Markteffizienz, von der ETFs besonders profitieren wollten, werden durch sie geschwächt. 

Der ETF-Boom führe zu einem Verdrängungs-Wettbewerb, bei dem nicht nur aktive Fondsmanager auf der Strecke blieben. Niedrige Kosten von ETFs seien nicht ausschließlich ihrem Konstruktionsprinzip zu verdanken, sondern auch der Größe einiger Fondsanbieter, die mit "Dumping-Preisen" oligopolistische Strukturen bewirken wollten. 

Der ETF-Boom führt zu einem Verdrängungs-Wettbewerb." 

Wie "mächtig" sind ETFs wirklich? 

Man kann dieser Kritik folgen. Es gibt aber auch andere Sichtweisen. ETF-Befürworter halten die Marktmacht-Argumentation zumindest für übertrieben. ETF's hätten längst nicht die Bedeutung, die ihnen von den Kritikern unterstellt werde - so das Gegenargument.

Kontakt zu mir

Hallo!
Schön, dass Sie mich kennenlernen möchten.