Im Oktober ist die Inflationsrate nach vorläufigen Schätzungen auf 4,5 Prozent gestiegen

Ultralockere Geldpolitik bleibt Rapide Geldentwertung

Im Oktober ist die Inflationsrate nach vorläufigen Schätzungen auf 4,5 Prozent gestiegen. Ein solcher Wert wurde bei uns zuletzt 1993 gemessen. Im laufenden Jahr markiert die Oktober-Rate einen neuen Höhepunkt der Geldentwertung. Der Ruf nach Eingreifen der EZB wird lauter - doch die stellt sich taub.

Auch nach der jüngsten Sitzung des EZB-Rats bleibt vorerst alles beim Alten. Die Leitzinsen verharren weiterhin bei Null und darunter. Das "Pandemic Emergency Purchase Programme" (PEPP) wird fortgesetzt. Immerhin bekannte sich EZB-Chefin Lagarde diesmal deutlicher als nach vorangegangenen Ratssitzungen zum Ende des Pandemie-Anleihekaufprogramms im März 2022.

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EZB: Geldentwertung nur moderat und vorübergehend

Von einer Kehrtwende in der ultralockeren Geldpolitik kann trotzdem keine Rede sein. Obwohl die Zwei-Prozent-Inflationszahl klar überschritten ist und die Geldwertstabilität in Frage steht, sieht sich die Euro-Notenbank nicht zum Eingreifen veranlasst. Sie kann sich dabei auf die von ihr selbst im Juli vorgenommene Aufweichung der Zwei-Prozent-Marke berufen. Danach hält die EZB zwar am bisherigen Inflationsziel fest, will aber zeitweise moderat über dem Zielwert liegende Inflationsraten akzeptieren.

Ob eine Geldentwertung mehr als doppelt so hoch wie das Inflationsziel "moderat" ist und ob es sich um ein "zeitweises" Phänomen handelt, darüber streiten die Experten. Die EZB argumentiert damit als Rechtfertigung ihrer Tatenlosigkeit. Sie sieht die aktuell hohe Energieverteuerung als externen Preisschock und weitere Preissteigerungen vor allem durch gestörte Lieferketten bedingt - ein Corona-Effekt. Beides werde vorübergehen. 2022 und 2023 rechnet man für Europa wieder mit Inflationsraten zwischen 1,5 und 1,7 Prozent - also unterhalb des selbst gesteckten Inflationsziels.

Der Ruf nach Eingreifen der EZB wird lauter - doch die stellt sich taub."

Weiter so oder strafferer Kurs?

Es könnte sein, dass manche EZB-Insider inständig hoffen, es möge so kommen. Dann kann die lockere Geldpolitik beibehalten werden. Verstetigte oder dynamisierte sich die Geldentwertung, würde es der Euro-Notenbank dagegen zunehmend schwerer fallen, sich einer Straffung der Geldpolitik zu verweigern. Zumindest käme sie in Begründungsnot, insbesondere wenn auch andere Notenbanken ihre Politik neu ausrichteten.

Steigende Zinsen wären bei einem restriktiveren Kurs zu erwarten - mit schwer abschätzbaren Konsequenzen für die hochverschuldeten europäischen Staaten, aber auch für private Kreditnehmer und die Konjunktur. Das fragile Europäische Haus könnte in neue Turbulenzen geraten. Das will man unbedingt vermeiden und nimmt weniger Geldstabilität in Kauf.

 

 

Autor: Reiner Braun, Braun Finanzberatung GmbH & Co. KG Bamberg, www.braun-finanzberatung.de

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